Ernährungspolitik:Bundestag gegen Bürgerrat

Lesezeit: 2 min

Bundestagspräsident Bärbel Bas und die Mitglieder des Bürgerrats bei der Vorstellung der Empfehlungen, die das 160-köpfige Gremium zum Thema Ernährung erarbeitet hat. (Foto: Friedrich Bungert)

Das Parlament debattiert über den Abschlussbericht zum Thema Ernährung, den die 160 Mitglieder des neuen Gremiums erarbeitet haben. Um dessen Ergebnisse geht es allerdings nur am Rande.

Von Finn Walter

Ihre Kritik richte sich nicht an die Mitglieder des Bürgerrats, sondern an SPD und Grüne, die diesen eingesetzt haben. Das betonen mehrere Redner der Union und der FDP im Bundestag. Das Gremium aus 160 zufällig ausgewählten Bürgern hat Maßnahmen für die Ernährungspolitik vorgelegt. Den Bericht wollen die Abgeordneten am Donnerstag diskutieren. Um die Vorschläge geht es allerdings nur am Rande. Union und FDP haben grundsätzliche Zweifel, ob der Bürgerrat ein gutes Konzept ist.

Der CDU-Abgeordnete Philipp Amthor habe sich selbst vom "Herzblut" der Mitglieder des Bürgerrats überzeugt, sagt er. Doch die Kritik, die die Union von Anfang an äußerte, sei immer noch aktuell. "Repräsentation in unserem Staat ist keine Frage von Zufällen, sondern von parlamentarischen Verfahren", sagt er. Das Grundgesetz sehe seit seinem Bestehen einen Bürgerrat vor "und das ist der Deutsche Bundestag."

Die Mitglieder des Bürgerrats wurden zufällig bestimmt. Die Bundestagsverwaltung kontaktierte 20 000 Menschen, die ihren Wohnsitz in Deutschland haben. Davon meldeten sich 2000 zurück und bekundeten ihr Interesse. Aus den 2000 Rückmeldungen wurde eine repräsentative Gruppe gebildet. Die Verteilung von Alter, Geschlecht und Wohnort ist dabei die gleiche wie in ganz Deutschland. Der Anteil von Veganern liegt im Bürgerrat bei zwei Prozent. Auch das entspricht dem bundesweiten Durchschnitt.

Künast mahnt, die Empfehlungen ernst zu nehmen

Das sei repräsentativer als der Bundestag, der überwiegend aus Berufspolitkern und Akademikern besteht, argumentieren Grüne und SPD. Sie wisse nicht, ob "bei uns nicht auch manchmal der Zufall eine Rolle spielt, ob wir auf der Liste auf einem aussichtsreichen Platz sind oder nicht", sagt Renate Künast. Auch wenn die Empfehlungen aus dem Bürgerrat nicht bindend sind, ruft Künast dazu auf, sie ernst zu nehmen: "Wir haben die Bürgerinnen und Bürger gefragt, was in ihrem Alltag ein Problem ist und sie haben eine Antwort darauf gegeben."

Die Inhalte des Abschlussberichts, die verschiedene Verbände in einem offenen Brief an den Bundestag "hochqualitativ" und "lösungsorientiert" nennen, spielen bei der Debatte eher eine Nebenrolle. Die Fraktionen heben vor allem die Forderungen hervor, die ihrem eigenen Programm entsprechen. Hauptforderung der Bürgerräte ist ein kostenloses gesundes Essen in Schulen und Kitas. "Bei uns rennt der Bürgerrat mit den Ergebnissen offene Türen ein", sagt die SPD-Abgeordnete Nadine Heselhaus. Artur Auernhammer aus der Unionsfraktion erinnert daran, dass eine Zuckersteuer im Bürgerrat mehrheitlich abgelehnt wurde. Auch ein Verbot von Energydrinks konnte sich nicht durchsetzen - zwei Punkte, die der Position der Union entsprechen.

Mehrere Abgeordnete kritisieren den Vorschlag eines kostenlosen Schulessens. Einerseits gäbe es die Gefahr, dass dadurch die Wertschätzung fehle und das Essen eher im Müll landen würde. "Was nichts kostet, wird auch nicht genügend wertgeschätzt", sagt Ingo Bodtke von der FDP. Andererseits würde die Finanzierung eines kostenlosen Schulessens vor allem die Kommunen treffen.

"Es gab gar keine richtige Diskussion über unsere Ergebnisse", kritisiert ein Ratsmitglied

Das stört Biggy Kewitsch: "Unser Vorschlag im Gegenzug die Erhöhung des Kindergelds auszusetzen, wurde gar nicht erwähnt." Die 48-Jährige aus Quedlinburg, Sachsen-Anhalt wurde in den Bürgerrat gelost und hat die Bundestagsdebatte von der Besuchertribüne aus verfolgt. "Es gab gar keine richtige Diskussion über unsere Ergebnisse", sagt Kewitsch. Gefreut habe sie aber, dass auch einzelne CDU-Abgeordnete ihre Ergebnisse ernsthaft diskutiert haben.

Ihre Ratskollegin Margarethe Bingel sagt: "Die CDU hat mich enttäuscht, vor allem Herr Amthor." Die Debatte über das Kindermittagessen sei schrecklich verlaufen.

Die beiden Frauen seien Freundinnen geworden über den Bürgerrat. Eine Neuauflage würde sie der Politik sehr empfehlen. Die Ampelfraktionen planen noch zwei weitere Räte, deren Themen aber noch nicht feststehen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusBürgerrat
:Herr Schreiber lernt Politik

Currywurst und Energydrinks: 160 zufällig ausgeloste Deutsche haben im Bürgerrat des Bundestags monatelang darüber gestritten, welche Ernährung das Land braucht. Retten solche Runden die Demokratie? Unterwegs mit einem Verdrossenen, der jetzt doch etwas verändern möchte.

Von Boris Herrmann , Nicolas Richter (Text) und Friedrich Bungert (Fotos)

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: