Altmaier fordert von Wulff Transparenz:"Wünsche mir, dass Christian seine Anwälte an die Leine legt"

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Der CDU-Politiker Peter Altmaier drängt Bundespräsident Wulff zu detaillierter Aufklärung über die Kredit- und Medienaffäre. Er solle "die Fragen/Antworten ins Netz" stellen. CSU-Chef Horst Seehofer will dagegen einen Schlussstrich unter die Debatte ziehen - ähnlich wie Wulff selbst.

Der CDU-Politiker Peter Altmaier hat Bundespräsident Christian Wulff aufgefordert, die zugesagten Details zu seiner Kreditaffäre nicht zurückzuhalten. Er wünsche sich, "dass Christian seine Anwälte an die Leine legt und die Fragen/Antworten ins Netz stellt", schrieb der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Kurznachrichten-Dienst Twitter. Dem Hamburger Abendblatt hatte er zuvor gesagt, er halte es für unglücklich, "wenn der Eindruck entstünde, dass die Anwälte des Bundespräsidenten jetzt hinter dem zurückblieben, was er selbst in einem Fernsehinterview angekündigt hat".

Christian Wulff beim Empfang der Sternsinger im Schloss Bellevue: Der Bundespräsident will wieder zu seinen Amtsgeschäften übergehen, doch die offenen Fragen bleiben. (Foto: dapd)

Vor einer Woche hatte Wulff im Interview von ARD und ZDF gesagt, auf die bis dahin 400 eingereichten Fragen gebe er gerne die 400 Antworten. Er wolle mit der Transparenz neue Maßstäbe setzen. Seine Anwälte würden noch am Folgetag "alles ins Internet einstellen". Jeder Bürger könne dann jedes Detail bewerten. Dies war allgemein so verstanden worden, als werde er sämtliche Antworten auf Anfragen von Medien öffentlich machen.

Wulffs Anwalt Gernot Lehr hatte jedoch kurz darauf erklärt, die detaillierten Fragen und Antworten würden nicht öffentlich gemacht. Der aus ihrer Sicht relevante Sachverhalt sei in einer zusammenfassenden Darstellung im Internet veröffentlicht.

Seehofer will Schlussstrich ziehen

Im Gegensatz zu Altmaier findet der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer, die bisherige Aufklärung durch Wulff genüge. "Das Thema ist ausreichend beleuchtet, alles ist gesagt. Wir sollten uns alle wieder auf unsere Arbeit konzentrieren und den Blick nach vorn richten. Christian Wulff ist und bleibt Bundespräsident", sagte er der Passauer Neuen Presse. "Wir sollten jetzt einen Schlussstrich ziehen", forderte Seehofer. Dies sei "im Interesse unseres Landes".

Wulff hatte am Dienstag versucht, nach vierwöchiger Kredit- und Medienaffäre zu inhaltlichen Schwerpunkten zurückzukehren. Beim traditionellen Neujahrsempfang für das Diplomatische Korps widmete er sich den Themen Integration und Kampf gegen Rechtsextremismus.

Dabei könnte zu all den offenen Fragen noch eine weitere hinzukommen. Laut Spiegel Online soll Wulff in einem weiteren Fall von Zuwendungen eines wohlhabenden Freundes profitiert haben. Dem am Dienstag veröffentlichten Bericht zufolge zahlte der mit Wulff befreundete Filmproduzent David Groenewold 2005 dem Autor eines im Jahr darauf erschienenen, wohlwollenden Buches über Wulff gut 10.000 Euro Honorar. Allerdings gab es unterschiedliche Angaben dazu, wofür das Geld genau bestimmt war. Damals setzte sich Wulff als niedersächsischer Ministerpräsident auch für die Interessen der Filmbranche ein.

Darüber hinaus haben Wulffs Anwälte präzisere Angaben zu dessen kostenlosem Italienurlaub gemacht. Laut dem Stern, sei der Gastgeber, Manager Wolf-Dieter Baumgartl, 2008 während des Aufenthalts der Eheleute Wulff in seinem Haus im italienischen Castiglioncello nur "teilweise anwesend" gewesen. Sie gaben außerdem zu, dass auch das Hauspersonal der Villa "einige Dienstleistungen für das Ehepaar Wulff erbracht hat". Wulff hatte im Fernsehinterview gesagt, er stehe zu diesen kostenlosen Urlauben bei Freunden und dazu, "mit den Freunden zusammen zu kochen, zu frühstücken, im Gästezimmer zu schlafen". Baumgartl war Vorstandschef und ist seit Juli 2006 Aufsichtsratschef des hannoverschen Versicherungskonzerns Talanx. Im Interview hatte Wulff gesagt, Baumgartl sei "sozusagen Pensionär".

Oettingers Rat aus Brüssel

Auch der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger meldete sich in der Causa Wulff zu Wort. Der CDU-Politiker empfahl im Hamburger Abendblatt seinem langjährigen Parteifreund und heutigen Bundespräsidenten, mit inhaltlichen Beiträgen in die Offensive zu gehen. "Er hat die Macht des Wortes und kann mit eigenen Beiträgen wichtige Themen entscheidend mitprägen", sagte Oettinger der Zeitung. "Darin sehe ich jetzt eine große Chance für Christian Wulff."

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sieht für die Opposition keine Möglichkeiten mehr, auf den "weiteren Gang der Dinge Einfluss zu nehmen". Im ZDF- Morgenmagazin sagte er, die Forderung der SPD sei darauf gerichtet, "Aufklärung zu verschaffen und die Fragen zu beantworten, die nicht nur die Opposition im Deutschen Bundestag, sondern die gesamte deutsche Öffentlichkeit an ihn hat". Die Verantwortung liege nun bei denjenigen, die den Bundespräsidenten ins Amt gebracht hätten. "Damit ist auch die Kanzlerin gefragt."

"Auseinandersetzung hat das Amt strapaziert"

Sollte Wulff doch noch zurücktreten, würden die Deutschen gerne Joachim Gauck als seinen Nachfolger sehen - das ergab eine repräsentative "Forsa"-Umfrage im Auftrag des Sterns. Demnach sprach sich knapp ein Drittel der Bundesbürger für den ehemaligen DDR-Bürgerrechtler aus. Gauck war bereits bei der Wahl im Juni 2010 als Kandidat von Rot-Grün gegen Wulff angetreten, konnte sich aber nicht durchsetzen.

Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), der ebenfalls als möglicher Nachfolge-Kandidat gilt, wies jegliche Ambitionen auf das Amt des Bundespräsidenten zurück. Stattdessen ging er vorsichtig auf Distanz zu Wulff: "Die wochenlange Auseinandersetzung hat sicherlich nicht nur den Amtsinhaber persönlich strapaziert, sondern leider wohl auch das Amt. Und über diesen Effekt kann niemand glücklich sein."

An diesem Donnerstag lädt der Bundespräsident zu seinem Neujahrsempfang für Repräsentanten des öffentlichen Lebens in Schloss Bellevue ein. Die Antikorruptionsorganisation Transparency International hat ihre Teilnahme daran aus Protest gegen Wulffs Verhalten abgesagt. Die Vorsitzende Edda Müller erklärte: "Wir können nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Der Bundespräsident hat vor über zehn Millionen Bürgerinnen und Bürgern Transparenz und vollständige Aufklärung versprochen. Dies hat er nicht eingehalten." Weiterhin stehe der Vorwurf im Raum, dass Wulff gegen das niedersächsische Ministergesetz verstoßen hat, sagte Müller.

© Süddeutsche.de/dapd/dpa/AFP/Reuters/infu - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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