Der Bürgermeister der mexikanischen Grenzstadt Tijuana hat wegen Tausender Migranten aus Mittelamerika einen humanitären Notstand ausgerufen. Er habe die Vereinten Nationen um Hilfe bei der Betreuung der Menschen gebeten, die in die USA wollten und nun in Tijuana gestrandet seien, sagte Bürgermeister Juan Manuel Gastélum. Gelder aus der Stadtkasse werde er für die Betreuung der Migranten nicht ausgeben.
Gastélum warf Mexikos Bundesregierung vor, seine Stadt bei der Bewältigung des Migrantenandrangs im Stich zu lassen. Zwar habe sie von einer Entsendung von rund 20 Tonnen Material an Tijuana gesprochen. Doch seien drei Viertel der Ressourcen für die Grenzsicherung bestimmt, jedoch nur fünf Tonnen für die Versorgung der Migranten, klagte der Bürgermeister.
Flüchtlinge aus Zentralamerika:Wenig Hoffnung für Migranten an US-Grenze
Tausende Geflüchtete aus Zentralamerika haben die mexikanische Grenzstadt Tijuana erreicht. Dort schlägt ihnen überraschend Feindseligkeit entgegen. Ein Richter stoppt vorerst Trumps Dekret zur Verschärfung des Asylrechts.
Zudem hielt er der Regierung vor, eine von US-Präsident Donald Trump angedrohte Grenzschließung nicht ernst genug zu nehmen. Dieser hatte diesen Schritt am Donnerstag angekündigt, falls seine Regierung den Eindruck habe, Mexiko habe die Lage nicht unter Kontrolle. "Das ist ernst gemeint", warnte Gastélum. Zuletzt sind Schätzungen zufolge etwa 5000 Migranten in Tijuana eingetroffen. Viele hatten sich in einer sogenannten Karawane Mitte Oktober von Honduras aus über Guatemala mit dem Ziel USA auf den Weg gemacht.
In vielen mexikanischen Gemeinden stießen die Migranten auf Wohlwollen, selbst arme Ortschaften versorgten sie mit Lebensmitteln und Schlafplätzen. Dort blieben die Migranten aber in der Regel nicht lange. Im südlich von Kalifornien gelegenen Tijuana müssen sie hingegen damit rechnen, monatelang ausharren zu müssen, ehe sie eine vage Aussicht auf einen Asylantrag in den USA haben.
Die Nerven bei einigen liegen blank
Bei einigen Bewohnern der mexikanischen Grenzstadt liegen daher die Nerven blank, zuletzt kam es sogar zu Protesten gegen Migranten. Neben Stadtbeamten finden sich aber Tijuana indes auch Freiwillige, die Neuankömmlingen helfen. Die meisten der 4976 Männer, Frauen und Kinder sind in einem Sportstadion untergebracht. Die Stadt stelle dort mobile Toiletten und Duschen sowie Pflegemittel bereit, sagte der Leiter der Sozialdienste. Manuel Figueroa. Doch sei dies nicht genug, weswegen die Stadt mangels Hilfe vom Bund nun internationale Institutionen wie die UN um Hilfe bitten müsse.
Der Helfer Rene Vázquez, der freiwillig in der Sportarena Pizzen und Hühnchen verteilte, warf der Regierung vor, das Problem ignoriert und die "Karawane" nicht gestoppt zu haben. Nun müsse Tijuana mit seinen 1,6 Millionen Einwohnern die Folgen tragen, sagte der 60-Jährige. "Ich habe nichts gegen die Migranten, sie sind am meisten getäuscht worden, aber das betrifft uns alle."
Eine der Geflüchteten ist aus Guatemala-Stadt. Adelaida Gonzalez berichtet von den Mühen ihrer Lage in Tijuana. Sie ist vor drei Tagen mit ihrem 15 Jahre alten Sohn und einem Nachbarn eingetroffen. Sie sei es leid, auf einer Decke auf einem verdreckten Feld zu schlafen, eine halbe Stunde auf den Toilettengang und dann nochmal auf Essen warten zu müssen. "Wir wären das Risiko nicht eingegangen, wenn wir gewusst hätten, dass es so hart wird", sagte die 37-Jährige. Sie überlege, das Bleibeangebot der mexikanischen Regierung anzunehmen und sich in Chiapas, einem Bundesstaat im Süden weit weg von der US-Küste, als Flüchtling einen Job zu suchen.
Trump schmäht Migranten als "Kriminelle"
US-Präsident Trump macht zudem seit Wochen gegen nordwärts ziehenden Migranten Stimmung und erklärte, in der "Karawane" seien Kriminelle, Bandenmitglieder und sogar Terroristen unterwegs. Beweise legte er nicht vor. Vor seiner Drohung mit einer Grenzschließung versuchte der Präsident per Dekret durchzusetzen, dass illegal über die Südgrenze einreisende Menschen keinen Asylantrag mehr stellen dürften. Ein Bundesrichter stoppte die Anordnung vorerst.
"Es sind die Elenden, die da marschieren", sagte der Deutsche Moritz Krawinkel, der für die Menschenrechtsorganisation Medico International arbeitet und die Migranten auf ihrem Weg begleitet hat, im Gespräch mit der SZ. Zu den Gründen, weshalb die Menschen unterwegs seien, sagte er: "Das eine ist die konkrete Bedrohung des Lebens. Die Maras, kriminelle Banden, die zum Beispiel in Honduras und El Salvador sehr stark sind, wollten sie rekrutieren. Sie haben sich geweigert. Wenn sie bleiben, würden die Maras sie umbringen. Der zweite große Grund ist die ökonomische Perspektivlosigkeit. Viele Leute sagen: Mit dem, was ich verdiene, kann ich meine Familie nicht ernähren."