Flüchtlinge aus Zentralamerika:Wenig Hoffnung für Migranten an US-Grenze

  • In der mexikanischen Grenzstadt Tijuana gibt es Proteste gegen die ankommenden Menschen. Der Ton der Aussagen erinnert an Trump.
  • Die US-Behörden verstärkten die Sicherheitsmaßnahmen an der Grenze zwischen Tijuana und dem kalifornischen San Diego.
  • Trump hat kürzlich versucht, die Asylregelungen zu verschärfen - ein Richter hat dieses Dekret nun vorläufig außer Kraft gesetzt.

Von Sebastian Schoepp

Sie glaubten, sie seien angekommen. Doch so langsam dämmert ihnen, dass sie zwischen zwei Ländern festhängen. Fast 3000 Menschen aus Zentralamerika haben im Zuge der caravana migrante, wie sie sich selber nennen, nach einem Monat Wanderung die mexikanische Grenzstadt Tijuana erreicht. Mehr als 5000 sind noch unterwegs oder hängen irgendwo auf mexikanischem Territorium fest, auf Sportplätzen, in alten Busbahnhöfen oder am Straßenrand. Und in El Salvador hat sich bereits ein neuer Zug auf den Weg gemacht; die caravana könnte ein Dauerzustand werden.

Doch Tijuana ist für die allermeisten Endstation. Sie sitzen herum im Sportzentrum Benito Juárez, das die Stadtverwaltung zum Notaufnahmelager gemacht hat, sie laufen den Grenzzaun entlang, der vor ihrer Ankunft von US-Seite zusätzlich mit Stacheldraht bewehrt wurde, oder sie sitzen am Strand, wo der Zaun einige Meter in den Pazifischen Ozean ragt. Der Guatemalteke Rodny Pérez sagte der spanischen Zeitung El País: "Wir wissen nicht, was wir tun sollen, wir wissen nicht, was passieren wird, wir trauen niemandem." Den einzigen Plan B bietet nun die mexikanische Regierung, die das Hilfsprogramm "Estás en tu casa", du bist zu Hause, aufgelegt hat, der den Migranten Jobs und medizinische Versorgung offeriert. Einige Tausend haben sich schon darauf eingelassen.

Für die anderen blieb es eine Art Obsession, Tijuana zu erreichen, dabei war es nicht mal der nächstliegende Ort. Ciudad Juárez oder Reynosa hätten von Mexiko-Stadt aus einige Hundert Kilometer näher gelegen. Aber Tijuana ist ein Mythos, der Ort, an dem man hofft, zur Not bleiben zu können, wenn es mit dem Traumziel Kalifornien nicht klappt. Die Stadt ist ein touristischer Hotspot, viele Gringos fahren dorthin zum Feiern, der Dienstleistungssektor ist groß. Im Zuge des Freihandelsabkommens Nafta haben US-Firmen in Tijuana Produktionsstätten gegründet, es gibt Leichtindustrie, Elektronik und Textilfabriken. Doch damit konkurrieren die Migranten nun mit Einheimischen um Jobs, und zum ersten Mal schlägt den Mittelamerikanern etwas ganz und gar Unmexikanisches entgegen: Fremdenfeindlichkeit.

"Tijuana zuerst", riefen die mexikanischen Demonstranten, was auffallend nach Trump klang

Sowohl in Tijuana wie in Mexiko-Stadt gab es Proteste gegen die Migranten, "Tijuana zuerst", riefen die Demonstranten, und: "Wir wollen keine Invasion" - was ziemlich nach Donald Trump klang, und das war kein Zufall. Der US-Präsident hat an der Grenze 5000 Soldaten und 2000 Reservisten aufmarschieren lassen, um die vermeintliche "Invasion" aus dem Süden zu stoppen, auch wenn sie nur aus Hungerleidern in Flipflops mit blutigen Füßen besteht. "Geht nach Hause", twitterte Trump.

Der Bürgermeister von Tijuana machte sich die Diktion zu eigen und sprach von einem "Tsunami". "Diese Leute kommen mit einem aggressiven Plan, sie sind unverschämt und fordern die Sicherheitskräfte heraus", behauptet Juan Manuel Gastélum. Der Gouverneur von Baja California, Francisco Vega, drohte mit Abschiebungen. Das sind ganz andere Töne als bisher. Auf ihrem mehr als 4000 Kilometer langen Marsch haben die Honduraner, Guatemalteken und Salvadorianer in Mexiko sehr viel Hilfe erfahren, ohne die es auch nicht gegangen wäre. Bauern gaben ihnen zu essen, Gemeinden räumten Busbahnhöfe und Sportzentren, um die Leute unterzubringen. Lastwagenfahrer nahmen sie mit. Je weiter sie nach Norden kamen, desto organisierter war die Hilfe, die Bundesstaaten Jalisco, Nayarit, Sinaloa und Sonora stellten Busse zur Verfügung. Allerdings steckte nur bedingt Menschenfreundlichkeit dahinter; es sei eher darum gegangen, die Migranten schnell wieder loszuwerden, vermutet der Korrespondent der guatemaltekischen Onlinezeitung Plaza publica, Alberto Pradilla. "Was vor ihnen liegt, ist ungewiss, möglicherweise furchtbar", schreibt er. Aber hierhergelangt zu sein, sei allein schon ein "Triumph für diese Armee der Geschlagenen".

Unter ihnen sind viele Minderjährige, Schwangere, Familien, Frauen mit Kindern, aber eben auch Glücksritter und Bandenmitglieder. Gerade junge Männer haben keine Chance, die Grenze zu den USA zu überschreiten, sagte der Migrationsexperte Rodolfo Cruz Piñeiro zur Nachrichtenagentur dpa. Frauen hätten eine geringe Aussicht, wenn sie auf die Gewalt in ihren Heimatländern hinwiesen. El Salvador und Honduras haben mit die höchsten Mordraten der Welt, sie sind fest im Griff des Drogenhandels und der Bandenkriminalität.

Allerdings reicht ein Leben in Gewalt und Armut als Fluchtgrund nicht aus, um in den USA Asyl zu erhalten. Donald Trump hat zudem kürzlich per Dekret versucht, die Bedingungen zu verschärfen. Asylanträge müssen demnach direkt an der US-Grenze gestellt werden, früher versuchten es viele nach einem illegalen Übertritt durch die Wüste. Dieses Dekret hat ein Bundesrichter am Montag (Ortszeit) vorläufig außer Kraft gesetzt. Der Richter aus San Francisco verbot der US-Regierung, illegal über die Grenze gelangten Einwanderern das Asylrecht zu verwehren.

Am Montag verstärkten die US-Behörden die Sicherheitsmaßnahmen an der Grenze zwischen Tijuana und dem kalifornischen San Diego. Der US-Grenzschutz schloss den Übergang San Ysidro für einige Stunden und installierte Betonbarrieren und Stacheldrahtrollen, meldete die Nachrichtenagentur AP. "Grenzschutzbeamte haben Hinweise erhalten, dass sich Migranten in Tijuana zusammentun, um illegal den Grenzübergang zu durchbrechen anstatt sich ordnungsgemäß bei den Beamten vorzustellen", hieß es in einer Mitteilung der Behörde. "Die Beamten installierten Begrenzungen, die verhindern, dass sich größere Gruppen nähern und den Grenzübergang durchbrechen."

Die Reihenfolge bei der Antragstellung an der Grenze müssen die Migranten selbst organisieren, Organisationen wie Pueblos sin Fronteras, Völker ohne Grenzen, helfen dabei, Freiwillige aus ganz Lateinamerika arbeiten in improvisierten Zentren. An der Brücke El Chaparal in Tijuana, der meistfrequentierten Grenze der Welt, ziehen Neuankömmlinge eine Nummer. Etwa zehn Personen am Tag kommen an die Reihe. 400 bis 500 am Tag stellen sich täglich neu an. Seit 2013 hat die Zahl derer, die Asyl beantragen, um 2000 Prozent zugenommen. Ob es mehr Karawanen geben wird? "Das hängt davon ab, ob wir hier durchkommen", sagt Merlin Hernández aus Honduras. Danach sieht es im Moment nicht aus.

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