Großbritannien:Diese Tories wollen May beerben

Theresa May hat den Parteivorsitz abgegeben. Ihr Nachfolger wird auch Premierminister werden - das Feld der Bewerber ist groß. Ein Kandidat ist bei der Basis besonders beliebt, doch die Fraktion sieht ihn skeptisch.

Von Philipp Saul

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(Foto: Getty Images)

2016 wurde sie kurz nach dem Brexit-Referendum britische Premierministerin. In der Amtszeit von Theresa May (62) war es ihre wichtigste Aufgabe, das Vereinigte Königreich aus der Europäischen Union zu führen. Das hat, nun ja, nicht so wirklich funktioniert. Bereits zweimal wurde das Austrittsdatum verschoben. Der nächste angestrebte Termin ist der 31. Oktober. Nachdem der innerparteiliche Druck in den vergangenen Wochen immer größer wurde, hat May Ende Mai angekündigt, ihr Amt als konservative Parteichefin am 7. Juni abzugeben. Bis Ende Juli soll ein Nachfolger bestimmt werden, dann will sie auch die Regierungsgeschäfte abgeben. Um ihre Nachfolge für den Vorsitz der Konservativen Partei bewerben sich zahlreiche Kandidaten. Die Statuten sehen vor, dass sie alle zunächst in der Fraktion gegeneinander antreten. Zum Schluss werden die zwei Kandidaten mit der größten Unterstützung den Mitgliedern vorgeschlagen, die dann mit einfacher Mehrheit den künftigen Tory-Chef und Premierminister küren dürfen.

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Michael Gove (51) gehört schon länger zu den potenziellen Nachfolgern Mays. Der Umweltminister gilt als diplomatisch geschickt und in der Partei besonders gut vernetzt, ist ein überzeugter Brexiteer und einer der Anführer der Leave-Kampagne 2016. Einen No-Deal-Brexit will er aber wohl vermeiden. Auch wenn es dafür nötig ist, den EU-Austritt über den 31. Oktober hinaus aufzuschieben. Gove präsentiert sich selbst als Kandidat, der die tiefzerstrittene Partei einen kann. Viele werfen ihm aber immer noch Verrat vor, weil er Boris Johnson während der vergangenen Auseinandersetzung um den Parteivorsitz in den Rücken gefallen ist.

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Matt Hancock (40) ist ein frisches Gesicht bei den Konservativen und das jüngste Mitglied im Kabinett. Er gilt als gemäßigter Kandidat und setzte sich vor dem Referendum 2016 für einen Verbleib in der EU ein. Ein Remainer ist er heute nicht mehr, den No-Deal-Brexit will er aber lieber nicht, sondern stattdessen einen Kompromiss aushandeln. Der Gesundheitsminister (hier mit einer Tüte Karamell-Waffeln) strebt einen Ausgleich zwischen Souveränitätsinteressen und Marktzugängen an. Er unterstützte Premierministerin May bei ihren Versuchen, das Austrittsabkommen durchs Parlament zu bringen.

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Mark Harper (49) hat keine Chance mehr, Mays Nachfolge anzutreten. Zu wenige Abgeordnete unterstützten ihn bei der ersten Abstimmung. Harper sitzt schon seit 2005 im britischen Unterhaus - unter Premierminister David Cameron war er zeitweise sogenannter "Einpeitscher" der Tory-Fraktion. 2014 trat er als Minister für Migration zurück, da er eine ausländische Putzkraft ohne Arbeitserlaubnis beschäftigte. Befürwortete Harper ursprünglich den Verbleib des Vereinigten Königreichs in der Europäischen Union, so fordert er nun ein Austrittsabkommen. Damit dies gelingt, schlägt Harper eine weitere Verschiebung des Brexit vor.

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Auch Außenminister Jeremy Hunt (52) hat sich inzwischen zum Brexit bekannt. Er gilt bei den Parteimitgliedern als kompetent und erfahren, war aber lange überzeugter Remainer. Einige Tory-Abgeordnete sehen ihn deshalb skeptisch. Hunt spricht sich gegen einen No-Deal-Brexit aus. Sollten die Tories Großbritannien zu einem EU-Austritt ohne Abkommen drängen, wäre das "politischer Suizid". Das Unterhaus würde das nicht zulassen, sondern eine Neuwahl anstreben. Dabei könne die Konservative Partei "ausgelöscht" werden.

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Innenminister Sajid Javid (49) ist Sohn eines Busfahrers aus Pakistan. Ursprünglich war er gegen den Austritt, wechselte dann aber die Seite. Nach den für die Konservative Partei verheerenden Ergebnissen bei der Europawahl sei es das Allerwichtigste, den Brexit zu liefern, sagt er. Nur so könne das Vertrauen in die britische Demokratie wiederhergestellt werden. Der ambitionierte Javid gilt als marktliberal und hat sich in der Konservativen Partei einen guten Ruf erarbeitet. Er fährt allerdings beim Thema Immigration einen relativ weichen Kurs.

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Der mit Abstand prominenteste Kandidat ist Boris Johnson (54). In den Wettbüros gilt der ehemalige Außenminister und Bürgermeister von London als der Mann mit den besten Chancen. Johnson gilt als sprunghaft und eitel - und ist bekannt für seine mangelnde Lust auf Sacharbeit, aber auch für seinen Charme und seine rhetorischen Fähigkeiten. Er legt sich auf einen Brexit Ende Oktober fest. "Wenn ich reinkomme, werden wir rauskommen, mit oder ohne Abkommen, am 31. Oktober", sagt er in einem Video auf Twitter. Johnson könne sich - angesichts seiner Popularität - nach jetzigem Ermessen nur noch selbst aus dem Rennen kegeln, wenn er gravierende Fehler mache, schreiben Kommentatoren in den britischen Medien. Denn 77 Prozent der Parteimitglieder finden einer Umfrage des Instituts YouGov zufolge, er sei sympathisch, 70 Prozent glaubten, er könne Wahlen gewinnen, 60 Prozent stellen ihn sich als "kompetenten Parteichef" vor. Aber noch ist Johnson nicht gewählt. In der Tory-Fraktion gilt angesichts vieler schlechter Erfahrungen mit dem ehemaligen Kabinettsmitglied die Devise: "Jeder, nur nicht Boris."

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Andrea Leadsom (56) wird nicht die nächste Premierministerin Großbritanniens werden. Sie hat es nicht über die erste Runde des Wahlverfahrens hinaus geschafft. Leadsom ist nur einen Tag vor Mays Ankündigung von ihrem Amt als Parlamentsministerin (Lord President of the Council) zurückgetreten und hat ihren Rückzug wohl beschleunigt. "Ich glaube, ich biete die entscheidende und mitfühlende Führung, die unser Land braucht", schrieb Leadsom auf Twitter. Sie hatte sich bereits 2016 um die Nachfolge des damals nach dem Brexit-Votum zurückgetretenen Premiers David Cameron beworben. Leadsom ist eine prominente Brexit-Befürworterin. Sie bevorzugt einen Austrittsvertrag, würde mutmaßlich aber auch einen harten Brexit Ende Oktober in Kauf nehmen, falls sich die EU nicht auf weitere Kompromisse einlässt.

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Auch Esther McVey (51) ist aus dem Rennen: nur neun Tories haben sie bei der ersten Abstimmung über Mays Nachfolge gewählt. Sie gehört zu den Brexit-Hardlinern in ihrer Partei. Die ehemalige Arbeitsministerin und glühende May-Gegnerin trat im November von ihrem Posten zurück, weil sie den zwischen May und der EU verhandelten Austrittsvertrag nicht unterstützen wollte. Inhaltlich will McVey die Tories wieder näher an die Arbeiter heranführen. Sie fordert deshalb, die Entwicklungshilfe zu kürzen, um damit im eigenen Land in Schulen und Polizei zu investieren.

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Dominic Raab (45) ist im vergangenen Sommer als Brexit-Minister aus Protest gegen den Kurs der Premierministerin zurückgetreten. Diese Opposition gegen May könnte die Chancen des überzeugten Euroskeptikers nun steigern, der Großbritannien notfalls auch ohne Deal aus der EU führen will. Bereits Wochen vor Mays Rücktritt hatte Raab in einer viel belächelten Homestory in einem Boulevardblatt angedeutet, er halte sich für einen geeigneten Nachfolger. Der 45 Jahre alte Anwalt erklärte, er bringe den Optimismus und den Elan mit, den das Land brauche.

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Ein eher unbekannter Kandidat ist Entwicklungshilfeminister Rory Stewart (46). Der Ex-Diplomat und Afghanistan-Experte gilt als sympathisch und gemäßigt. Auch er war Remainer, sagt jetzt aber, der Brexit sei eine Verpflichtung. Für einen No-Deal ist er aber nicht. Dieser sei nicht lieferbar, unnötig und werde das Land beschädigen. Stattdessen unterstützte er Mays Austrittsabkommen und ihre Entscheidung, Gespräche mit der oppositionellen Labour-Partei zu führen. Stewart droht damit, das Kabinett zu verlassen, wenn Johnson Premier werden sollte.

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