Brexit:May kündigt Nachverhandlungen mit EU an - Tusk lehnt ab

Lesezeit: 2 min

Theresa May im britischen Unterhaus. (Foto: dpa)
  • Die für Dienstag im britischen Unterhaus angesetzte Abstimmung über den Brexit-Vertrag ist von der Regierung verschoben worden.
  • Premierministerin May strebt nun Nachverhandlungen an.
  • EU-Ratspräsident Tusk sagte hingegen, diese werde es nicht geben. Ähnlich äußerte sich Österreichs Kanzler Kurz, dessen Land gerade den Ratsvorsitz innehat.
  • May trifft sich am Dienstagmittag in Berlin mit Bundeskanzlerin Merkel.

Von Cathrin Kahlweit, London

Die britische Regierung hat die für diesen Dienstag angesetzte Abstimmung über den EU-Austrittsvertrag im Parlament verschoben. Vor dem Unterhaus begründete Premierministerin Theresa May die Entscheidung am Montag damit, dass sie das Parlament nicht habe spalten wollen, das mit der Auffanglösung für Nordirland nicht zufrieden sei. Sie werde also nach Brüssel reisen, um dafür zu werben, dass das Unterhaus ein Mitspracherecht über den Sonderstatus von Nordirland bekomme.

Es hatte als sicher gegolten, dass die Abgeordneten May eine dramatische Niederlage beschert und den Vertrag in der vorliegenden Form abgelehnt hätten. Nicht nur die Oppositionsparteien, sondern auch bis zu hundert konservative Abgeordnete hatten angekündigt, gegen den Brexit-Vertrag stimmen zu wollen. In diesem Fall wäre eine schwere Regierungskrise die Folge gewesen; Mays Kritiker hatten gedroht, sollte der von ihr ausgehandelte Vertrag scheitern, den sie als "die beste Lösung für das Land" bezeichnet hatte, müsse die Premierministerin zurücktreten. Noch am Montagmorgen hatten Regierungsmitglieder allerdings darauf beharrt, die Abstimmung werde "zu hundert Prozent stattfinden". Labour-Chef Jeremy Corbyn sagte, die Kehrtwende zeige, dass Großbritannien keine funktionierende Regierung habe.

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Vor dem EU-Gipfel am Donnerstag reist May zu ihren EU-Kollegen, um für ihre Position zu werben.

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Ob und wann das Parlaments-Votum über den Vertrag nun stattfinden soll, war vorerst unklar. May will auf dem Ende der Woche turnusmäßig stattfindenden EU-Gipfel offenbar in neue Verhandlungen mit der EU eintreten und hofft, vor allem in der Frage der umstrittenen Auffanglösung für Nordirland, dem sogenannten Backstop, auf ein Entgegenkommen Brüssels. Einer der Gründe für die harsche Ablehnung des Deals ist, dass viele britische Abgeordnete ein einseitiges Recht ihres Landes fordern, die Auffanglösung zu beenden. Sie befürchten, andernfalls auf lange Zeit an die EU gebunden zu sein. Man werde den Deal einschließlich des Backstops "nicht nachverhandeln", twitterte jedoch der EU-Ratspräsident Donald Tusk am Montagabend. Die EU sei aber bereit, darüber zu diskutieren, "wie die britische Ratifizierung erleichtert werden kann".

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Am Dienstag fliegt May nach Berlin, um mit Bundeskanzlerin Angela Merkel über den Brexit zu sprechen. Das teilten das Büro der Premierministerin und der deutsche Regierungssprecher Steffen Seibert übereinstimmend mit. "Auf Wunsch der britischen Seite" werde Merkel die britische Premierministerin gegen 13 Uhr zum Gespräch empfangen, erklärte Seibert.

London darf Austrittsentscheidung widerrufen

Die Nachricht aus London kam wenige Stunden, nachdem der Europäische Gerichtshof in Luxemburg geurteilt hatte, Großbritannien könne die Austrittsentscheidung nach Artikel 50 einseitig widerrufen und müsse dafür nicht die Zustimmung der anderen EU-Staaten einholen. Dieses Urteil hat im Königreich die Hoffnungen derer gestärkt, die darauf setzen, den Brexit noch verhindern zu können.

Sollte May nach der Verschiebung der Abstimmung auch im nächsten Anlauf keine Mehrheit für den Vertrag bekommen, dürfte es im Unterhaus zu parteiübergreifenden Initiativen für ein zweites Referendum kommen. Zudem haben für diesen Fall einige Kabinettsmitglieder angekündigt, dass sie sich nach einem etwaigen Sturz der Premierministerin um deren Nachfolge bewerben würden.

Die Märkte reagierten nervös auf die Ankündigung, die Brexit-Abstimmung zu vertagen. Das Pfund war am Montag auf dem tiefsten Stand seit 18 Monaten gefallen.

© SZ vom 11.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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