Brexit-Gespräche:Mit verdeckten Karten

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Der EU-Chefunterhändler Michel Barnier nimmt nach seiner Corona-Erkrankung die Gespräche mit London wieder auf. Eine Einschränkung der Briten sorgt für Unmut in Europas Hauptstädten.

Von Cathrin Kahlweit und Matthias Kolb, Brüssel/London

Michel Barnier hat viereinhalb Jahre lang für die EU mit Großbritannien verhandelt. Er erinnert sich an schwierige Momente, aber auch an herzliche Begegnungen. (Foto: Francisco Seco/AP)

Der nötige Abstand wurde gewahrt, als Michel Barnier nach Ostern und seiner überstandenen Corona-Infektion wieder zur Arbeit in Brüssel erschien. Via Twitter verschickte der Brexit-Chefunterhändler der EU am Dienstag ein Foto, das ihn am Tisch mit drei Mitarbeitern zeigte - alle durch leere Stühle getrennt.

Barnier bereitete sich auf die Videoschalte mit seinem britischen Gegenüber David Frost vor, die am Mittwoch stattfand und zwei Stunden dauerte. Es galt, sich auf einen Fahrplan für die Verhandlungen über die künftigen Beziehungen zu einigen, die wegen der Pandemie lange nur auf Experten-Ebene geführt werden konnten. Auch Frost, der den britischen Premier Boris Johnson vertritt, war erkrankt gewesen.

Nach dem "konstruktiven Gespräch" wurde in einer gemeinsamen Erklärung mitgeteilt, dass die nächsten Verhandlungen am Montag per Videokonferenz beginnen sollten. Zwei weitere Runden sollen bis Anfang Juni virtuell absolviert werden, um "echte, messbare Fortschritte" zu erzielen.

Die EU-27 strebt einen Gesamtrahmen für die künftigen Beziehungen an - London will nur einzelne Sektoren klären

In Brüssel rätseln EU-Diplomaten, wie viel Spielraum Frost eigentlich hat, während sich Johnson auskuriert. Für Unmut sorgt, dass London erneut die Textentwürfe nur mit der EU-Kommission teilt, ohne dass diese in Berlin, Paris oder Prag geprüft werden dürfen.

Während die EU-27 einen Gesamtrahmen für die künftigen Beziehungen anstrebt, möchte London Abkommen über einzelne Sektoren wie etwa Fischerei abschließen.

Der Zugang ihrer Flotten zu britischen Gewässern hat für Frankreich, Belgien oder Dänemark höchste Priorität. Offenbar hält London den fertigen Text zu den Fischereirechten zurück, um die eigene Position zu verbessern.

Der Zeitdruck ist enorm: Am 31. Dezember endet die Übergangsphase, die nach dem Austritt der Briten zum 1. Februar begonnen hatte und in der sich faktisch nichts ändert. Für die Zeit danach braucht es eine neue Lösung. Johnson lehnt die Option der Verlängerung, die er nur bis Ende Juni beantragen kann, kategorisch ab.

Alle Überlegungen, ob es in der gegenwärtigen, ökonomisch schwierigen Lage nicht vernünftig wäre, die Transition zu verlängern, werden von Mitgliedern seiner Regierung vehement zurückgewiesen.

Am Dienstag sagte Finanzminister Rishi Sunak, Großbritannien habe die EU mit einem guten Deal verlassen. Was die künftigen Beziehungen angehe, beharre man auf dem verabredeten Zeitplan.

Frost sei in Kontakt mit Johnson gewesen, um den weiteren Verlauf zu besprechen. Sunak gab sich überzeugt, dass die Arbeit an einem Handelsvertrag wie verabredet weitergehe und es bis Jahresende eine für beide Seiten befriedigende Lösung gebe.

© SZ vom 16.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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