Greenpeace-Studie:Brasiliens verheerende Klimabilanz

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Die Zerstörung des Regenwalds lag zwischen Juli 2020 und August 2021 um drei Viertel höher als drei Jahre zuvor - so stellt es ein Greenpeace-Bericht zu Brasilien fest: illegale Brandrodung im Amazonas-Staat im vergangenen Herbst. (Foto: MAURO PIMENTEL/AFP)

Steigende Treibhausgasemissionen, ein exzessiver Einsatz von Pestiziden, die immer schneller voranschreitende Zerstörung des Regenwaldes: Eine neue Studie zeigt, wie schädlich die Präsidentschaft des Rechtsaußen-Politikers Jair Bolsonaros für das Klima ist.

Von Benedikt Peters, München

Im Herbst will Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro wiedergewählt werden. Wie gut die Chancen des Rechtsaußen-Politikers sind, ist derzeit noch schwer zu beurteilen, eines aber scheint sicher zu sein: Für den Klima- und Umweltschutz wäre eine Wiederwahl Bolsonaros verheerend. Dieser Schluss lässt sich aus einer neuen Studie ziehen, welche die Umweltorganisation Greenpeace an diesem Montag veröffentlicht, sie lag der SZ vorab vor. Die Autoren ziehen darin eine umfassende umweltpolitische Bilanz der Bolsonaro-Regierung, die nun seit drei Jahren im Amt ist.

Nicht nur die Zerstörung des Amazonas-Regenwalds hat demnach drastisch zugenommen, zwischen Juli 2020 und August 2021 lag sie mit 13 235 Quadratkilometern um drei Viertel höher als drei Jahre zuvor. Gestiegen sind auch die Treibhausgas-Emissionen: Im Jahr 2020 stieß Brasilien mit 2,16 Milliarden Tonnen so viel Kohlenstoffdioxid aus wie seit 2006 nicht mehr. Zum Vergleich: 2020 emittierte Deutschland 739 Millionen Tonnen, also etwa ein Drittel im Vergleich zu Brasilien.

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Weitgehend unbekannt war bisher, dass auch der Einsatz umweltschädlicher Pestizide unter Bolsonaro stark gestiegen ist. 1500 neue Mittel wurden der Studie zufolge seit dessen Amtsantritt zugelassen, so viele wie noch nie, auch bei den eingesetzten Mengen gebe es Rekorde. Darunter seien Pestizide, die in der EU nicht zugelassen sind, etwa das Herbizid Atrazin. Ob das Mittel schädlich für Menschen ist, ist umstritten.

Umweltfragen kümmern die Anhänger des Rechtspopulisten wenig. Eher die Waffengesetze

Detailliert belegen die Autoren, wie Bolsonaro die brasilianischen Umweltschutzbehörden geschwächt hat. Das Umweltministerium sowie die wichtigen staatlichen Institute Ibama (natürliche Ressourcen) und Chico Mendes (Biodiversität) verloren ein Zehntel ihres Personals; zudem wurden die Budgets der Institute je um etwa 30 Prozent gekürzt. Der Gesamthaushalt des Umweltministeriums ist so niedrig wie seit 2010 nicht mehr. Stark zugenommen haben Greenpeace zufolge auch die Konflikte um Land und die Bedrohungen für Indigene.

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In seiner Amtszeit habe die Umwelt besonders gelitten, geht aus einem Greenpeace-Bericht hervor: Jair Bolsonaro will sich im Herbst erneut als Präsident Brasiliens wählen lassen. (Foto: UESLEI MARCELINO/REUTERS)

Zweifelhaft ist allerdings, ob Bolsonaros verheerende Umweltbilanz das Zeug dazu hat, ihm bei seinem Projekt Wiederwahl zu schaden. Der Klimaschutz ist zwar auch in Brasilien wichtiger geworden und wird auf Demonstrationen eingefordert - aber nahezu ausschließlich von jungen, linken Bewohnern der Metropolen wie São Paulo und Rio de Janeiro, die ohnehin eher nicht für Bolsonaro stimmen. Seine Anhänger interessieren sich für andere Dinge: Sie sind für Lockerungen der Waffengesetze, gegen gendergerechte Sprache und gegen die "Kaste" etablierter Politiker. Ein entscheidender Erfolgsfaktor bei der Wahl Bolsonaros vor drei Jahren war es, dass er ähnlich wie Donald Trump als Außenseiter wahrgenommen wurde.

Nach vier Jahren an der Staatsspitze kann der Rechtsaußen Außenseitertum freilich nicht mehr für sich in Anspruch nehmen. Seine Unterstützungswerte sind derzeit niedrig, vor allem, weil viele Brasilianer mit dem schlechten Corona-Management und der sich verschärfenden Armut unzufrieden sind. In den Umfragen zur Wahl führt derzeit klar der linke Ex-Präsident Lula da Silva. Bolsonaro versucht nun, gegenzusteuern: Der Präsident hat der Bevölkerung neue Sozialleistungen versprochen und will die Gehälter aller Beamten erhöhen. Bis zur Wahl im Herbst ist schließlich noch etwas Zeit.

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