Bosnien und Herzegowina:"Ein weiterer eskalierender Schritt"

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Der Führer der bosnischen Serben, Milorad Dodik, heizt immer wieder den Konflikt mit Kroaten und muslimischen Bosniern an - hier auf einer Parlamentssitzung in Banja Luka am 10. Dezember. (Foto: Radivoje Pavicic/AP)

Unterstützt von Wladimir Putin betreibt Serbenführer Milorad Dodik gezielt die Spaltung Bosnien-Herzegowinas. Experten warnen vor einem neuen Krieg auf dem Balkan.

Von Florian Hassel, Belgrad

Es ist der wohl explosivste Beschluss bosnischer Serben seit Ende des Krieges in Bosnien und Herzegowina vor einem Vierteljahrhundert: Am Freitag forderte das von Serbenführer Milorad Dodik kontrollierte Parlament der Republika Sprska (RS) die Regierung auf, Gesetze zu entwerfen, um aus Armee, Sicherheitsdiensten, Justiz und Steuersystem von Bosnien und Herzegowina auszuscheiden - und damit die mögliche Abspaltung vom gemeinsamen Staat vorzubereiten. Seit Ende des Krieges, in dem von 1992 bis 1995 mehr als 100 000 Menschen ihr Leben verloren, ist dies die schwerste Krise in dem mühsam zusammengehaltenen Balkanland.

Bosnien und Herzegowina besteht aus der RS und der Föderation aus muslimischen Bosniaken und Kroaten. Auf dem Papier wird das Ganze von einer Zentralregierung in Sarajevo und einer dreiköpfigen Präsidentschaft zusammengehalten. In der Praxis aber sabotiert vor allem Dodik das Funktionieren gemeinsamer Institutionen und arbeitet auf eine Abspaltung hin, gestützt von Serbiens Präsident Aleksandar Vučić und vor allem von Russlands Präsident Wladimir Putin.

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Die Aufsicht über Bosnien und Herzegowina hat seit dem Frieden von Dayton 1995 der Hohe Repräsentant: Er kann Gesetze erlassen, annullieren und Amtsinhaber feuern, wenn diese etwa gegen die Einheit des Landes vorgehen - so wie Dodik. Bevor im August Ex-CSU-Politiker Christian Schmidt neuer Hoher Repräsentant wurde, versuchte Russland, dies zu verhindern - und behauptete faktenwidrig, der UN-Sicherheitsrat (wo Moskau ein Vetorecht hat) müsse der Ernennung zustimmen.

700 Soldaten sollen die Einheit bewahren

Tatsächlich wird der Hohe Repräsentant vom Führungsgremium des 1995 beschlossenen " Friedensimplementierungsrates" (PIC) bestimmt: Neben den USA und Russland sitzen dort auch Frankreich, Italien, Japan, England oder die EU. Einstimmigkeit ist nicht erforderlich. So bekam Schmidt das Amt auch ohne Zustimmung Moskaus. In einem Bericht vom 30. Oktober warnte Schmidt, Bosnien stehe "vor der größten existenziellen Bedrohung der Nachkriegsperiode". Falls die RS tatsächlich eine eigene Armee schaffe, gebe es eine "sehr reale" Aussicht der Rückkehr zu bewaffnetem Konflikt.

Statt früher einmal gut 54 000 internationalen Soldaten sind in Bosnien und Herzegowina gerade noch 700 Soldaten der heute nominell von der EU geleiteten Schutztruppe Eufor Althea stationiert. Hochrangige Militärs nannten mehrmals 5000 Soldaten als Untergrenze für effektives Handeln. Schmidt plädiert dafür, die Althea-Schutztruppe aufzustocken. Bosnien-Spezialisten fordern, Tausende Soldaten von Althea oder Nato in den strategisch wichtigen Brčko-Korridor zu verlegen, ohne den eine Abspaltung der RS unrealistisch wäre.

Doch weder Europa noch Washington wollen sich engagieren. Generalmajor Alexander Platzer, Kommandeur der Eufor-Althea-Schutztruppe und in Österreich früher mehrmals Kandidat der mit Moskau verbundenen rechtspopulistischen FPÖ, durfte nur Tage nach Schmidts alarmierendem Bericht Anfang November im Wiener Standard unwidersprochen behaupten, die Sicherheitslage sei "stabil"; es gebe "keine Notwendigkeit für eine zusätzliche Truppenpräsenz".

Und Dodik wurde nicht etwa abgesetzt, sondern in den vergangenen Monaten von US-Sondergesandten und allen EU-Botschaftern hofiert. Zudem weiß sich Dodik der Unterstützung seiner "Freunde" sicher. Beim einflussreichsten, Wladimir Putin, war Dodik erst am 2. Dezember wieder zu Gast. Nur acht Tage später folgte der Beschluss zur Vorbereitung einer Abspaltung. Zudem erklärte das RS-Parlament alle schätzungsweise 140 vom Hohen Repräsentanten erlassenen Gesetze und Erlasse für angeblich verfassungswidrig. Die Botschafter der USA, Deutschlands, Englands, Frankreichs, Italiens und der EU erklärten lediglich, die RS-Aktionen seien "ein weiterer eskalierender Schritt". Von konkreten Maßnahmen war auch jetzt noch keine Rede.

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