BND-Chef Schindler:Riskantes Spiel

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Trägt Krawatte, gilt als hemdsärmlig: BND-Chef Schindler. (Foto: dpa)

"No risk, no fun" - mit diesem Spruch ist Gerhard Schindler einst angetreten. Nach den Enthüllungen über die Zusammenarbeit mit der amerikanischen NSA wird es eng für den BND-Chef. Der Auslandsgeheimdienst ist berüchtigt für seine Intrigen.

Von Tanjev Schultz

Morgens dreht Gerhard Schindler gern ein paar Runden. Joggen sei für ihn ein Stück "Privatheit". Der Präsident des Bundesnachrichtendiensts (BND) nutzt den Dauerlauf auch zum Nachdenken. Derzeit gibt es sicher einiges, worüber der 62-Jährige nachdenken muss. Wieder einmal hat der BND Ärger wegen der Zusammenarbeit mit der amerikanischen NSA.

Und diesmal wird es eng für Schindler. Das Bundeskanzleramt hat erklärt, es habe "technische und organisatorische Defizite beim BND identifiziert". Das klingt gar nicht gut. Vielleicht übersteht Schindler auch diese Affäre, wie zuvor beispielsweise die Enttarnung eines Doppelagenten. Man müsste aber schon sehr das Risiko lieben, wenn man in der gegenwärtigen Lage unbedingt darauf wetten wollte, dass Schindler sich im Amt halten kann.

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"No risk, no fun" - ausgerechnet mit diesem Spruch hatte er 2012 als Präsident begonnen. Er meinte damit: Der BND müsse risikofreudiger werden. In den Krisengebieten der Welt dürfe es kein Zögern geben. Die Amtssitze in Berlin und Pullach sind nun selbst zu Krisengebieten geworden. Und der BND wird sich beim Aufklären der neuen Spionage-Affäre kein Zögern erlauben können.

Schindler ist ein hemdsärmliger Mann, der krachend lachen und klare Worte sprechen kann. Kraftausdrücke gehen ihm authentisch über die Lippen. Seinem anti-intellektuellen Charme erliegt nicht jeder; auch innerhalb des BND gibt es Zweifler und Kritiker. Und der Auslandsgeheimdienst ist berüchtigt für seine Intrigen: Spione belauern alles und jeden - auch die eigenen Kollegen. Wie setzt der neue Chef seinen Dienstwagen ein? Macht er dabei alles korrekt? Das waren so die Fragen, mit denen sich Schindler herumschlug, als er ins Amt kam. Die echten Bewährungsproben sollten erst noch kommen. Als er anfing, konnte Schindler nicht ahnen, dass ein Whistleblower namens Edward Snowden schon bald ein schweres, nachrichtendienstliches Erdbeben auslösen würde. Es erschütterte die NSA, und es erschütterte den BND, Amerikas willigen Partner.

Weniger Interesse am Datenschutz

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Als FDP-Mitglied könnte Schindler ein gutes Gespür für die Freiheits- und Bürgerrechte haben, die durch das Treiben der Geheimdienste bedroht sind. Sein ganzes Berufsleben lang hat er jedoch auf der Seite der Sicherheitsbehörden gestanden und dabei weniger ein Interesse am Datenschutz als am Datensammeln gehabt. Schindler wurde in der Eifel geboren; nach dem Jurastudium in Saarbrücken ging er zum Bundesgrenzschutz, dann ins Bundesinnenministerium (BMI). Dort kam der sportliche Mann, der bei der Bundeswehr Fallschirmjäger war, zunächst in die Abteilung "Zivile Verteidigung". Es folgten ein Abstecher ins Bundesamt für Verfassungsschutz und schließlich etliche weitere Jahre im BMI. Schindler stieg auf bis zum Ministerialdirektor in der Abteilung Öffentliche Sicherheit. Dann rückte er an die Spitze des BND.

Bereits aus der Zeit im Ministerium kennt Schindler den Geheimdienst-Koordinator Klaus-Dieter Fritsche, der mittlerweile im Rang eines Staatssekretärs im Bundeskanzleramt arbeitet. Fritsche hat schon erstaunlich viele Affären überstanden, bei denen der Sicherheitsapparat keinen soliden Eindruck hinterließ; seien es Spionage-Skandale oder die Schredder-Affäre beim Verfassungsschutz.

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Auch jetzt wird sich wieder die Frage stellen, wer welche Verantwortung zu tragen hat. Im Geheimdienst-Geschäft wollen die Chefs manchmal lieber gar nicht so genau wissen, was die Mitarbeiter alles anstellen. Dann können sie später zumindest beteuern, sie hätten nichts davon gewusst oder man habe sie sogar hintergangen. Sie selbst hätten so etwas ja nie genehmigt.

Er habe kein Problem damit, "wenn uns die Politik gründlich auf die Finger schaut", hat Schindler mal gesagt. Selbst wenn er ein Problem damit hätte: Die Abgeordneten müssen jetzt wirklich sehr gründlich schauen.

© SZ vom 25.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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