Bilanz zur Amtszeit von Ilse Aigner:Die Ankündigungsministerin

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Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner gibt ein Statement vor der Presse ab (Archivbild vom 16. September) (Foto: dpa)

Nach fünf Jahren in Berlin verabschiedet sich Landwirtschaftsministerin Aigner in die bayerische Landespolitik. Vor allem bei den Bauern war ihr Rückhalt beachtlich - dabei hat Aigner wenig umgesetzt. Nur bei einem Thema blieb sie unerbittlich.

Von Silvia Liebrich

Mit einem Dinosaurier hat Ilse Aigner so gar nichts gemein. Zumindest auf den ersten Blick nicht. Dagegen spricht schon das stets adrette und freundliche Auftreten der CSU-Politikerin in den vergangenen Jahren. Im Dirndl, mit weißer Bluse, einen Apfel in der Hand oder Kühe streichelnd. So werden viele Deutsche die Aussteigerin aus der Bundespolitik wohl in Erinnerung behalten. Eine sympathische Frau eben.

Ihre Kritiker haben sich davon aber nie beeindrucken lassen. Für sie bleibt Aigner am Ende ihrer Amtszeit vor allem eines: eine Ankündigungsministerin, die ihren Worten viel zu selten Taten folgen ließ; mit einer Politik, zu konservativ und nach hinten gerichtet, vor allem was die Landwirtschaft angeht. Deshalb auch der Dino. Der wenig schmeichelhafte Titel "Dinosaurier des Jahres" wurde ihr Anfang des Jahres vom Umweltverband Nabu verliehen. Das hat gesessen. Aigner, die auf Kritik sonst eher gelassen reagiert, schlug verbal zurück und bezeichnete den Nabu als "Blinde Nuss des Jahres".

Schöne Bilder hin oder her. Am Ende zählen die Taten. Fünf Jahre lang leitete Aigner das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz in Berlin. Bis sie Anfang des Jahres genug vom Berliner Politzirkus hatte und ihre Rückkehr in die bayerische Landespolitik ankündigte. Der Zeitpunkt war geschickt gewählt. Als Bundesministerin hat die jetzt 48-Jährige wichtige Weichen gestellt, ihre Arbeit ist erledigt. Zum Gelingen der Reform der europäischen Agrarpolitik hat sie Entscheidendes beigetragen. Und sie hat Pflöcke eingeschlagen, die ihren Nachfolgern vermutlich noch im Wege stehen werden. Die Beschlüsse werden ihnen über Jahre hinaus wenig Handlungsspielraum lassen.

Mogelpackung Agrarreform

Aigners Rückhalt im Bauernstand ist groß. Die Landwirte mögen die Oberbayerin wegen ihrer Bodenständigkeit. Dass die gelernte Radio- und Fernsehelektronikerin von Ackerbau und Viehzucht nur wenig Ahnung hat, sehen sie ihr nach. Dabei hat Aigner stets betont, dass ihr die bäuerlichen Familienbetriebe besonders am Herzen lägen. Das haben ihr viele abgenommen. Dass sie ihnen eine Mogelpackung verkauft hat, werden sie vermutlich erst in den nächsten Jahren begreifen, wenn die Agrarreform zu wirken beginnt.

Dann wird sich zeigen, dass es die großen Agrarbetriebe sind, die in erster Linie profitieren werden - und nicht die kleinen und mittelständischen Höfe. Vergeben hat Aigner zudem die große Chance, eine umweltfreundliche und nachhaltige Agrarpolitik durchzusetzen, gegen die Bremser im eigenen Ministerium. Es ist ihr nicht gelungen, die Auswüchse der Massentierhaltung wirksam zu bekämpfen. Aigner sei eingeknickt vor der mächtigen Agrar-Lobby, werfen ihr deshalb ihre politischen Gegner zu Recht vor. Zugutehalten muss man ihr jedoch: Dem mächtigen Druck der Gentechnik-Industrie hat sie widerstanden. Am Anbauverbot für Gentech-Pflanzen hat sie festgehalten.

Wie schon andere Minister auf diesem Posten hatte auch Aigner mit dem großen Widerspruch ihres Amtes zu kämpfen. Gleichzeitig die Interessen von Verbrauchern, Lebensmittelindustrie und Bauern zu vertreten, das ist eigentlich unmöglich. Allzu oft hat Aigner dabei wirtschaftliche Interessen über die der Konsumenten gestellt. Ehec-Krise und Dioxin-Skandal haben das Vertrauen in die Sicherheit von Nahrungsmitteln schwer erschüttert. Aktionspläne gab es zuhauf. Was sie bringen, muss sich erst noch zeigen. Lebensmittelkontrollen etwa sind bis heute nicht besser geworden. Dafür hätte Aigner das Kompetenz-Wirrwarr von Bund und Ländern beseitigen müssen - an diese Herkulesaufgabe hat sie sich nicht herangewagt. Sie hat sich darauf beschränkt, Symptome zu bekämpfen anstatt die Ursachen.

Dass sie durchaus imstande und willens ist, sich mit den Großen und Mächtigen anzulegen, bewies Aigner im Ringen mit der Finanzindustrie. Keiner ihrer Vorgänger hat sich mit so vielen Initiativen für den Schutz von Kleinanlegern eingesetzt. Ob es wirklich die Sparer sind, die am Ende von Protokollen der Beratungsgespräche mit ihrem Banker profitieren, das steht freilich auf einem ganz anderen Blatt. Fest steht dagegen, beim Versuch, den Datenschutz von Nutzern sozialer Medien zu verbessern, erlitt sie Schiffbruch. Es genügt eben nicht, den eigenen Facebook-Account symbolträchtig aufzulösen. Hier zeigte sich, dass ihre politischen Druckmittel gegen internationale Großkonzerne gleich null waren. In die NSA-Affäre hat sie sich erst gar nicht mehr eingeklinkt.

Dass ihre Zukunft in Bayern liegt, hat Aigner deutlich gemacht. In einem Interview sagte sie Anfang des Jahres, Berlin werde sie nicht vermissen, genauso wenig wie "all die Lobbyisten, Aktivisten und Pseudogutmenschen, die einem im Regierungsviertel über den Weg laufen". Ob sie sich da nicht zu früh freut? Lobbyisten und Aktivisten gibt es auch in Bayern.

© SZ vom 01.10.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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