Urteil am Bundesverfassungsgericht:Was passiert, wenn das Betreuungsgeld fällt

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Erhalten Eltern das Betreuungsgeld weiter, wenn die Verfassungsrichter die Leistung kippen? Die Unsicherheit ist groß. (Foto: Julian Stratenschulte/dpa)
  • An diesem Dienstag verkünden die Bundesverfassungsrichter in Karlsruhe ihr Urteil zum Betreuungsgeld.
  • Es gilt als äußert wahrscheinlich, dass sie die umstrittene Leistung kippen. Unklar ist allerdings, welche Gründe sie dafür anführen.
  • Unsicherheit herrscht auch in der Frage, ob oder wie lange Eltern, die derzeit Betreuungsgeld bekommen, die Leistung weiter beziehen würden.

Von Wolfgang Janisch und Ulrike Heidenreich, Karlsruhe/München

An diesem Dienstag verkündet das Bundesverfassungsgericht sein Urteil über das Betreuungsgeld, aber das Schicksal der 150-Euro-Prämie für den Kita-Verzicht scheint längst besiegelt zu sein. In der mündlichen Verhandlung am 14. April wurde überdeutlich, dass die 2013 eingeführte Leistung wohl verfassungswidrig ist.

Nur: Aus welchen Gründen die Richter das Lieblingsprojekt der CSU kippen könnten, ist keineswegs ausgemacht. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer hat am Dienstag schon mal vorsorglich an das Gericht appelliert: Es solle seiner "großen Tradition" folgen und "ein Herz für Familien und Kinder" zeigen. Und: In Bayern werde die Prämie weiterbezahlt - komme, was wolle.

Die sichtbarste Abneigung der Richter in Karlsruhe hatte der Gesetzgebungskompetenz des Bundes gegolten. Dafür wäre erforderlich, dass das Betreuungsgeld zur "Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet" erforderlich ist. Ein Grundgesetz-Artikel, der eindeutig der Stärkung des Föderalismus dient: In erster Linie sind die Länder zuständig, der Bund soll nur eingreifen dürfen, um eine Schieflage wieder ins Lot zu bringen.

Das Betreuungsgeld ist aber gerade nicht darauf angelegt, Defizite in der Kita-Infrastruktur einiger Länder auszugleichen. Wer seine Kinder nicht in eine öffentlich geförderte Einrichtung schickt, kann die Prämie beanspruchen, unabhängig vom regionalen Betreuungsangebot.

Notfalls will Bayern Betreuungsgeld im Alleingang zahlen

Ohne Gesetzgebungszuständigkeit wäre das Betreuungsgeld verfassungswidrig - und damit wohl ab sofort nichtig. Denn einem Gesetzgeber, der gar nicht zuständig ist, kann man schwerlich eine Übergangsfrist zur Korrektur einräumen.

Eine andere Frage dagegen ist, was mit jenen gut 450 000 Eltern geschieht, die derzeit Betreuungsgeld beziehen. Leistungsbescheide, die auf einem für nichtig erklärten Gesetz beruhen, bleiben normalerweise in Kraft. Allerdings können die Behörden solche Bescheide unter Umständen wieder rückgängig machen - womit es letztlich vom politischen Willen des Bundes abhinge, ob das Geld bis zum Ende des Bewilligungszeitraums weitergezahlt wird.

Weitaus unklarer als die Zuständigkeitsfrage ist, ob das Betreuungsgeld etwa gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstößt, weil es - Stichwort "Herdprämie" - zur Verfestigung überkommener Rollenmuster beiträgt; fast 95 Prozent der Bezieher sind weiblich. Das deutet zwar auf eine klare gesellschaftspolitische Fehlsteuerung hin, aber eben nicht zwingend auf einen Verfassungsverstoß.

Noch deutlicher wird dies beim zweiten Kritikpunkt: Durch das Geld würden zum Beispiel Migrantenkinder von den Kitas ferngehalten, obwohl sie von der Sprachfördern doch am stärksten profitierten. Dass es gegen die Verfassung verstößt, wenn man Eltern Geld gibt, lässt sich nicht so einfach begründen.

Bliebe es also beim Kompetenzverstoß, könnten die Länder das Betreuungsgeld immer noch im Alleingang einführen. Allen voran natürlich Bayern. Seehofer, der sich mit seinem Kabinett an den Tegernsee zur Klausur zurückgezogen hat, kündigte eine Fortzahlung an im Falle einer Niederlage vor Gericht: "Sollte es anders kommen, dann werden wir einen Weg finden in Bayern, die Dinge richtig in die Zukunft zu führen - mit Betreuungsgeld."

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Für 2015 sind im Bundeshaushalt 900 Millionen Euro für das Betreuungsgeld vorgesehen. Unklar ist auch, was damit passieren soll und rechtlich überhaupt machbar ist. Die SPD plädiert dafür, das Geld in den Ausbau der öffentlichen Kinderbetreuung zu stecken. Die CSU fordert einen Teil aus dem Topf, um das Geld notfalls im Alleingang an Eltern in Bayern auszuschütten.

© SZ vom 21.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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