Kitagebühren:Bessere Betreuung anstatt Abschaffung der Gebühren

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Auch die Kinder dieser Stuttgarter Einrichtung sollen „bestmöglich betreut werden“. So will es Kultusministerin Susanne Eisenmann. (Foto: Sebastian Gollnow/dpa)

Viele Bundesländer setzen Geld aus dem Gute-Kita-Gesetz ein, um die Kita-Kosten für Eltern abzubauen. Fachleute kritisieren das. Baden-Württemberg geht bewusst einen anderen Weg.

Von Claudia Henzler und Edeltraud Rattenhuber, München/Stuttgart

Während sich wegen des Gute-Kita-Gesetzes immer mehr Länder für eine kostenlose Kinderbetreuung oder eine Reduzierung der Gebühren entscheiden, hält Baden-Württemberg weiter an Elternbeiträgen fest. Ende März wird sich entscheiden, ob die SPD im Südwesten doch noch versuchen darf, die Gebühren mittels Volksbegehren abzuschaffen. Das Stuttgarter Innenministerium hat das Begehren abgelehnt, weil es aus seiner Sicht unzulässig in den Haushalt eingreift. Der Verfassungsgerichtshof in Stuttgart muss entscheiden, ob dies rechtens war.

Warum will die grün-schwarze Landesregierung die kostenlose Betreuung nicht? "Statt Gebührenfreiheit setzen wir darauf, dass unsere Kleinsten in den Einrichtungen bestmöglich betreut werden", sagt Kultusministerin Susanne Eisenmann von der CDU. Baden-Württemberg hat zwar jetzt schon den besten Betreuungsschlüssel im ganzen Land, sieht aber dennoch die Notwendigkeit, in die Ausbildung von mehr Erziehern und in mehr Qualität zu investieren.

Bis 2022 sollen 5,5 Milliarden Euro aus dem Gute-Kita-Gesetz an die Bundesländer fließen

Auch die Grünen im Südwesten betonen, dass sie kostenlose Kitas "derzeit" für den falschen Weg halten: Die Nachfrage nach hochwertigen Kitaplätzen steige und sei noch lange nicht gedeckt. In Berlin sei die Betreuung zwar kostenlos, aber es gebe längst nicht genug Plätze. Und Mecklenburg-Vorpommern hat zwar die höchste Quote an Krippenkindern, aber auch den niedrigsten Personalschlüssel.

Mittlerweile haben alle 16 Bundesländer Verträge mit dem Bund unterzeichnet, in denen die Umsetzung des Gute-Kita-Gesetzes geregelt wird. In den Verträgen ist festgelegt, wofür die vom Bund zur Verfügung gestellten Mittel - bis 2022 immerhin 5,5 Milliarden Euro - verwendet werden sollen. Dabei kann sich laut Bundesfamilienministerium jedes Bundesland wie aus einem "Instrumentenkasten" bedienen und selbst entscheiden, in welche der zehn Handlungsfelder mit welchen Maßnahmen es das bereitgestellte Geld investiert.

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Als da sind: erweiterte Öffnungszeiten, ein guter Betreuungsschlüssel, qualifizierte Fachkräfte, mehr Zeit für die Kitaleitungen, besser ausgestattete Räume, ausgewogene Ernährung sowie Bewegungsförderung und Gesundheitsbildung, sprachliche Bildung, Qualifizierung und bessere Arbeitsbedingungen für Tagesmütter, Qualitätsentwicklung oder Investitionen in Inklusion. Das Geld kann aber auch eingesetzt werden, um die Gebühren zu senken oder ganz zu erlassen.

Die Sprachförderung von Kleinkindern ist dem Land allein 34,5 Millionen Euro pro Jahr wert

Wie viel Eltern für den Kita-Besuch ihrer Kinder zahlen müssen, handhaben die Ländern schon seit Jahren völlig unterschiedlich. Hamburg bietet Eltern seit 2014 eine kostenfreie Betreuung von fünf Stunden täglich an. Berlin hat Gebühren im Sommer 2018 komplett abgeschafft. Andere Bundesländer haben bisher zum Beispiel das letzte Jahr vor der Schule kostenfrei angeboten. Nun wollen die meisten Geld aus dem Gute-Kita-Gesetz verwenden, um die Eltern weiter zu entlasten.

Von Fachleuten wird das durchaus kritisch gesehen. "Die Qualität der Kitas leidet unter der Beitragsfreiheit", sagt zum Beispiel die Bertelsmann-Stiftung. Auch der Paritätische Gesamtverband bedauert, dass Familienministerin Franziska Giffey (SPD) Milliarden in die frühkindliche Bildung stecke, das Geld aber nicht überall dazu beitrage, die Qualität in den Kitas deutlich zu verbessern. Sozial schwachen Familien bringt das Gute-Kita-Gesetz, das im August 2019 in Kraft getreten ist, ohnehin Entlastung: Alle Eltern, die zusätzlich zum Kindergeld einen Kinderzuschlag bekommen, Wohngeld oder Grundsicherung beziehen, sind von Kita-Gebühren befreit.

In Baden-Württemberg will man das Geld vom Bund beispielsweise dafür verwenden, Kita-Leitern mehr Zeit für Verwaltungsaufgaben zu geben. Geld fließt auch in die Qualifizierung von neuen Tagesmüttern, deren Ausbildung auf 300 Unterrichtseinheiten fast verdoppelt wurde.

Dass die 729 Millionen aus dem Gute-Kita-Gesetz nicht zur Gebührensenkung verwendet werden sollen, ist im Südwesten unbestritten. Die Initiatoren des Volksbegehrens wollen nicht das Geld vom Bund verwenden, ihrer Meinung nach soll das Land im Haushalt zusätzliche Mittel bereitstellen. Nach Auffassung der SPD wären das 530 Millionen Euro pro Jahr, der Städtetag geht von 730 Millionen Euro aus, weil er damit rechnet, dass die Nachfrage nach Krippenplätzen steigen würde, wenn die Gebühren wegfallen - ein Effekt, der von den Initiatoren durchaus gewünscht wäre.

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Die SPD kritisiert auch, dass die Kita-Gebühren in ihrem Bundesland extrem schwanken, weil manche Gemeinden mehr Geld zuschießen können als andere. Aus Sicht der Landesregierung ist nicht genug Geld da, um auch noch die Elternbeiträge zu übernehmen. Momentan zahlt das Land den Gemeinden für die Kindergärten 796 Millionen Euro pro Jahr, die an die Gemeinden nach der Zahl der betreuten Kinder verteilt werden. Bei Krippen übernehmen Land und Bund zusammen 68 Prozent der Betriebsausgaben.

Das Land stellt 2020 außerdem mehr Geld bereit, um an den Fachschulen zusätzliche Kapazitäten für die Erzieherausbildung zu schaffen: Baden-Württemberg hat 2012 neben der reinen schulischen Ausbildung eine Erzieherlehre eingeführt: Die Auszubildenden arbeiten in der Kita und besuchen parallel dazu eine staatlich finanzierte Schule. Zudem stellt das Land mehr Geld für Sprachförderung von Kleinkindern zur Verfügung, insgesamt 34,5 Millionen Euro pro Jahr.

In anderen Bundesländern wird mit der Gebührenentlastung geworben

Einen ganz anderen Weg geht Mecklenburg-Vorpommern. Es ist das einzige Bundesland, das sich entschieden hat, die Zuschüsse des Bundes sowie eigene Mittel für die vollständige Abschaffung der Gebühren zu verwenden. Und es ist stolz darauf.

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) betonte bei der Unterzeichnung des Gute-Kita-Vertrags im August 2019: "Wir werden das erste Bundesland sein, das die Elternbeiträge für Krippe, Kindergarten, Hort und Tagespflege komplett abschafft. Und das ganztags." Sozialministerin Stefanie Drese bezeichnete die Regelung als "wichtigen Beitrag für mehr Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit". Gerade für Alleinerziehende und Familien mit vielen Kindern oder mit geringem Einkommen sei das eine enorme Entlastung.

Mit dem gleichen Argument stellt auch Bremen die Kitagebühren für Kinder ab dem dritten Geburtstag frei. "Damit sollen die Teilhabe an frühkindlichen Bildungsangeboten weiter gesteigert und der Umfang der Betreuungs- und Förderleistung nicht von einer wirtschaftlichen Entscheidung der Eltern abhängig gemacht werden", heißt es in dem Gute-Kita-Vertrag mit Bremen. Allerdings will Bremen auch den Fachkraft-Kind-Schlüssel verbessern, die Fachkräftegewinnung verstärken und sprachliche Bildung zusätzlich fördern.

Neben Baden-Württemberg hält nur noch Sachsen an Elternbeiträgen in bisherigem Umfang fest. Denn auch das Saarland, Brandenburg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Bayern investieren einen Teil der Gute-Kita-Millionen in die Gebührenentlastung. In Bayern bekommen Eltern seit April 2019 einen Beitragszuschuss von 100 Euro pro Monat für die gesamte Kindergartenzeit. Diese Leistung will der Freistaat aber nur zum Teil mit Mitteln aus dem Gute-Kita-Gesetz finanzieren.

© SZ vom 25.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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