Franziska Giffey in Berlin:"Ich klebe nicht an meinem Amt"

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Ein Nervenkrieg für die SPD und sie: Franziska Giffey, Regierende Bürgermeisterin von Berlin, am Sonntagabend der Wahlwiederholung. (Foto: Christophe Gateau/DPA)

Rotes Rathaus, Karriere, Zukunft als Politikerin - zwei Tage lang ging es für Franziska Giffey um alles. Jetzt soll Berlins Regierende Bürgermeisterin erst einmal für ihre SPD in die Sondierungsgespräche gehen.

Von Jan Heidtmann, Berlin

Am Dienstag war die Spitzenkandidatin Franziska Giffey wieder die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey. Wie eigentlich jeden Dienstag seit über einem Jahr leitete sie am Vormittag die Sitzung des Berliner Senats. Auf der Agenda standen die Nachbereitung der Wahl, aber auch inzwischen fast gängige Themen wie der Umgang mit den Klimaschützern von der "Letzten Generation". Kurz stellte sich das wohlig-beruhigende Gefühl ein, das einen überkommt, wenn man wieder in alte Routinen verfällt. Dabei - da war doch etwas.

Weniger als 24 Stunden zuvor hätte es noch gut sein können, dass das "Modell Giffey", wie die Politikerin Giffey auch umschrieben wird, am Ende seines Lebenszyklus angekommen wäre. Es gab Unruhen im Landesvorstand der Berliner Sozialdemokraten, die teils klangen wie ausgemachte Umsturzpläne. Das Wahlergebnis sei eine "Zäsur", sagte der stellvertretende Landesparteichef Kian Niroomand. "Es kann so nicht weitergehen". Auch Kevin Hönicke, Beisitzer im Vorstand, forderte, es dürfe "kein Weiter-so geben".

Eine berlinhistorische Niederlage

Am Sonntag war die Abgeordnetenhauswahl wiederholt worden; die CDU wurde mit Abstand stärkste Partei, SPD und Grüne holten jeweils 18,4 Prozent der Stimmen. Während die Grünen damit nur knapp unter ihrem historisch besten Ergebnis in der Stadt blieben, war es für die Sozialdemokraten eine historische Niederlage. Am Montag forderten einige Genossen im Hintergrund ganz direkt, Giffey müsse gehen. Vor der Sitzung des Landesvorstands am Montagabend hieß es, die Chancen für die Co-Landesvorsitzende stünden gerade noch bei fünfzig Prozent. Ein ehemaliger Finanzsenator wurde bereits als Übergangskandidat gehandelt, Kevin Kühnert, Generalsekretär der SPD, als Joker.

Der Druck unter dem Giffey stand, war ihr da längst anzusehen. Manchmal wirkte sie schon zu professionell in ihrer Zugewandtheit, mit diesem sehr strahlenden Lächeln. Am Montag war davon nur noch wenig zu spüren. Das Modell Giffey hatte einen Defekt. Mehr könne sie dazu jetzt nicht mehr sagen, "mehr will ich auch nicht mehr sagen", antwortete sie gegen Mittag bei der Presskonferenz im Willy -Brandt-Haus, der Zentrale der Bundespartei. Wieder einmal war nach ihrer Zukunft gefragt worden.

Es war Tag zwei eines Nervenkriegs, den man eigentlich niemandem wünschen kann. Bereits nach den ersten Prognosen am Sonntagabend war deutlich, dass es für die SPD knapp werden würde. Und dabei ging es nicht etwa um den Wahlsieg. "Für Platz eins hat es nicht gereicht, und wir müssen sehen, ob es für Platz zwei reicht", war Giffeys Losung für diesen Abend. Doch mit jeder weiteren ausgezählten Stimme verschlechterten sich ihre Aussichten, Regierende Bürgermeisterin bleiben zu können. Am Ende trennen sie gerade einmal 105 Stimmen von den Grünen.

Seitdem kämpft sie nicht nur um die Macht ihres Landesverbands, sondern auch um ihre eigene Bedeutung als Politikerin. Ohne das Amt der Regierenden Bürgermeisterin bliebe da nicht viel, nachdem Giffey in ihrem Wahlkreis das Direktmandat an einen nahezu unbekannten Christdemokraten verloren hat. Als Spitzenkandidatin kann sie nur noch über die Landesliste in das Abgeordnetenhaus einziehen.

Nur im Bund mit Grünen und Linken kann sie das Rote Rathaus behalten

Im Laufe des Montags dann gab es viel Zuspruch aus der Bundespartei für Giffey. Bundeskanzler Olaf Scholz stellte sich ähnlich demonstrativ hinter die Genossin wie auch die Parteivorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil. Doch noch war unklar, wie sich der Landesvorstand der SPD verhalten würde. Die Sitzung nach der Wahlniederlage galt da auch als Chance für die starke Parteilinke, ein Zeichen gegen die eher Parteirechten um Giffey und den Co-Vorsitzenden Raed Saleh zu setzen.

Doch Giffey kam ihnen offenbar zuvor, indem sie schon zu Beginn der Sitzung ihren Rücktritt anbot. "Meine Partei hat mir heute im Bundesvorstand Rückendeckung gegeben, und der Landesvorstand hat das auch getan", sagte sie sichtlich entspannter nach der Sitzung. "Wenn die Partei anderer Meinung ist, dann habe ich heute auch deutlich gemacht, dass ich nicht an meinem Amt klebe." Gemeinsam mit ihrem Co-Vorsitzenden sei sie beauftragt worden, nun die Sondierungsgespräche zu führen.

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Es ist ein ziemlich heikles Manöver. Denn das Rote Rathaus können die Sozialdemokraten nur behalten, wenn sie ihr Bündnis mit den Grünen und der Linken fortsetzen. "Wir werden natürlich auch mit unseren Koalitionspartnern sprechen, wie es weitergehen kann", sagte Giffey. Zugleich hat sie nun mehrfach erklärt, dass eine Linkskoalition ihre Politik nach diesem Wahlergebnis ändern müsse. Das bisherige Bündnis werde nicht mehr "als gemeinsames Projekt" wahrgenommen. Der Protest der Wähler müsse ernstgenommen werden. "Es ist eine Veränderungsagenda nötig in den Bereichen Wohnungsbau, Verkehr, Verwaltungsreform, aber vor allem auch der inneren Sicherheit".

Dabei ist unklar, wie sie solche Veränderungen überhaupt bei ihren Koalitionspartnern durchsetzen will. Die SPD würde stark geschwächt in die Wiederauflage dieses Bündnisses gehen. Deshalb skizzierte Giffey nach der Landesvorstandssitzung auch die Möglichkeit einer großen Koalition mit der CDU, Sondierungen sollen bereits Ende dieser Woche beginnen. Die Regierende Bürgermeisterin Giffey wäre in diesem Fall die Abgeordnete Franziska Giffey.

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