Wie sieht der nächste Senat aus?:In Berlin stehen die Zeichen auf Schwarz-Grün

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Im Wahlkampf haben Bettina Jarasch von den Grünen und CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner sich nicht geschont, doch bald könnten sie zu Partnern werden. (Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)

Aber das kann sich schnell wieder ändern. Wie die Sondierungen in der Hauptstadt laufen und warum die SPD bald noch schwächer dastehen könnte.

Von Jan Heidtmann, Berlin

Die Briten lieben es zu wetten, und deshalb kann man sein Geld auf der Insel auch auf alle möglichen politischen Ereignisse setzen. Zum Beispiel auf die Frage, welches Land als nächstes die EU verlässt oder wer Präsident von Argentinien wird. Die Zukunft des Berliner Senats haben die Buchmacher zwar noch nicht für ihr Portfolio entdeckt, sie wäre es aber wert. Die Quoten könnten sich fast täglich ändern und es gibt eine Menge zu bedenken. Lag in der vergangenen Woche noch ein Bündnis aus SPD, Grünen und der Linken vorn, ist es wenige Tage später eine Koalition aus CDU und Grünen. All das könnte sich jedoch bereits am kommenden Montag noch einmal grundlegend verschieben.

Dann wird der Landeswahlleiter das amtliche Endergebnis der Wahl zum Abgeordnetenhaus vom 12. Februar verkünden. Es wird nichts daran ändern, dass die CDU mit gut 28 Prozent der Stimmen der deutliche Gewinner ist. Klar ist auch, dass SPD und Grüne mit je 18 Prozent weit abgeschlagen sind. Doch beide Parteien trennen nur wenige Promille. Schon das vorläufige Endergebnis im Berliner Bezirk Mitte ergab in dieser Woche 21 zusätzliche Voten für die Grünen. Damit liegen sie nur noch 92 Stimmen hinter den Sozialdemokraten. Bettina Jarasch, Spitzenkandidatin der Grünen, könnte im Verbund mit SPD und der Linken plötzlich die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey ablösen und selbst das Rote Rathaus übernehmen.

Der Wahlkampf war voller Härte, besonders zwischen Schwarz und Grün

Inmitten all dieser Unwägbarkeiten sprechen die beteiligten Parteien seit vergangenem Freitag miteinander, wie es weitergehen könnte. Die CDU hat bereits mit der SPD und danach mit den Grünen verhandelt; eine Zusammenarbeit mit der AfD oder mit der Linken hatte sie ausgeschlossen. Am Dienstag trafen sich dann die Koalitionspartner des regierenden Senats aus SPD, Grünen und der Linken. An diesem Mittwoch wiederum sind CDU und Grüne zu einer zweiten Runde Sondierungsgespräche zusammengekommen, am kommenden Dienstag wollen sie noch einmal miteinander reden.

"Heute geht es um Themen, wo wir durchaus wissen, dass es da unterschiedliche Auffassungen in einigen Bereichen gibt", sagte Kai Wegner, Spitzenkandidat der CDU, zum Auftakt. "Man muss da wirklich gründlich ausloten, ob und wie was gehen könnte", sagte Bettina Jarasch von den Grünen. Gemeint sind zum Beispiel die Themen Verkehrspolitik, Wohnungspolitik, Diversität und die klimaneutrale Stadt.

Anders gesagt geht es um die Silvesterkrawalle in Berlin, die Sperrung der Friedrichstraße und den Volksentscheid zur Enteignung großer Immobilienunternehmen. An diesen Symbolen entlang war der Wahlkampf geführt worden, mit allerhand Härte besonders zwischen CDU und Grünen. "Was die Grünen und Frau Jarasch im Wahlkampf fordern, gerade auch in der Verkehrspolitik, ist mit mir nicht zu machen. Punkt", hatte Wegner noch Ende Januar behauptet.

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Zwei Sondierungsrunden weiter sieht die Lage ziemlich anders aus. Nicht nur küchenpsychologisch wirken die gemeinsamen Auftritte von Wegner und Jarasch überzeugender als die mit den anderen Protagonisten. Auch strategisch könnte ein Bündnis für beide Parteien vielversprechend sein - besonders für die Grünen, wie andere schwarz-grüne Koalitionen zeigen.

"Bis auf ein paar Anfangsschmerzen haben die Grünen da durchweg positive Erfahrungen gemacht", sagt der Politikberater Frank Stauss, der schon mehrere Wahlkämpfe konzipiert hat, unter anderem für den früheren Berliner Bürgermeister Klaus Wowereit. Die Grünen hätten immer wieder zugelegt, in Hessen zum Beispiel, dort gewannen sie fast neun Prozentpunkte zusätzlich; während der Jamaika-Koalition in Schleswig-Holstein waren es immerhin gute fünf Punkte. Stauss: "All diese Koalitionen sind entstanden mit der Aussage 'Das kriegen die ja bei der Basis nicht durch'".

"Die Position der SPD ist sehr schwach"

Zugleich wäre ein Pakt mit den Grünen auch für die CDU zukunftsweisender als mit der SPD. "Das Bündnis trägt automatisch eine Modernisierungsvermutung in sich", meint Stauss. "Die CDU kann sich so als Großstadtpartei präsentieren."

Die Schwierigkeiten dabei hat Spitzenkandidat Wegner vor allem selbst geschaffen: Mit seinen kategorischen Aussagen hat er die Stimmung gegen die Grünen an der eigenen Parteibasis noch verschärft. In der Partei ist eine große Koalition mit der SPD jedoch nicht zwangsläufig beliebter. Die Sorge ist groß, dass sich die Sozialdemokraten mit dem zweiten Platz schwer täten. "Die Position der SPD ist sehr schwach", glaubt Wahlkampfberater Stauss. "Die einzige Chance, die sie haben, ist die Angst der Grünen vor der eigenen Courage."

Die Lage der SPD ist in jedem Fall vertrackt. Nur mit der Linken und eben den Grünen haben sie eine Chance, auch weiterhin die Regierende Bürgermeisterin zu stellen. Co-Parteichef Raed Saleh hat deshalb jetzt öffentlich auch über eine sehr ungewöhnliche Rolle der SPD gesprochen - in der Opposition. Das gab es seit 34 Jahren nicht.

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