Zukunft von Boris Johnson:Machtkampf um den Partygate-Bericht

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Eine Frau mit Boris-Johnson-Maske steht am Samstag vor Downing Street Nr. 10 - für viele sind die Ereignisse in dessen Amtssitz längst eine Farce. (Foto: May James/REUTERS)

Seit Tagen wartet Großbritannien gespannt auf einen internen Bericht: Haben Boris Johnson und seine Mitarbeiter mit Partys die Corona-Regeln verletzt? Bei den Konservativen meldet sich schon ein möglicher Nachfolger für das Amt des Premiers.

Wegen der "Partygate"-Affäre um den britischen Premierminister Boris Johnson wird ein Machtkampf innerhalb der Konservativen Partei immer deutlicher. Der Johnson-Kritiker und einflussreiche Abgeordnete Tom Tugendhat machte am Samstag seine Ambitionen deutlich, Johnsons Nachfolger zu werden. Zuvor hatte die Zeitung Daily Mail berichtet, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Parlament habe die Unterstützung mehrerer Tory-Abgeordneter aus der Mitte der Partei.

Es wird erwartet, dass sich weitere Kandidaten erklären, sobald der mit Spannung erwartete interne Untersuchungsbericht zu dem Skandal um Lockdown-Partys in der Downing Street publik wird.

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Als Favoriten auf eine Nachfolge gelten bisher Außenministerin Liz Truss und Finanzminister Rishi Sunak, beide streiten bisher aber öffentlich ihr Interesse ab. Der Johnson-Kritiker Tugendhat sagte hingegen nun dem Sender Times Radio, das Amt des Premierministers bedeute ein "gewaltiges Privileg". "Es muss einem nicht peinlich sein, wenn man seinem Land dienen will", sagte Tugendhat. Der Außenexperte hat als Soldat in Afghanistan gedient und den überstürzten Abzug britischer Truppen aus dem Land wiederholt scharf kritisiert.

Diskussionen um Zensurwünsche der Polizei

Der Party-Report der Spitzenbeamtin Sue Gray wird aber aller Voraussicht nach zunächst nur in einer stark zensierten Version veröffentlicht. Das wiederum hängt mit Ermittlungen der Londoner Polizei zusammen.

Die Behörde bat in einer Erklärung darum, "in dem Bericht des Cabinet Office nur minimalen Bezug auf die Veranstaltungen zu nehmen, die von der Metropolitan Police untersucht werden". Damit solle "jegliche Voreingenommenheit" bei den Ermittlungen verhindert werden. Die Übergabe des Berichts an Premierminister Johnson steht kurz bevor, wie mehrere Zeitungen am Samstag schrieben. Mit der offiziellen Vorstellung im Londoner Unterhaus wird aber nicht vor Anfang der Woche gerechnet.

Justizexperten zeigten sich erstaunt über die Zensurbitte der Polizei. Die interne Ermittlerin Gray schildere nur Fakten und fordere keine personellen Konsequenzen. Die Opposition pocht auf eine vollständige Veröffentlichung. Für Johnson dürfte die Verzögerung eine willkommene Nachricht sein. Bei der polizeilichen Ermittlung könnte es später lediglich darum gehen, ob Beteiligte Bußgelder zahlen müssen.

Johnson gewinnt wertvolle Zeit

Damit könnte die Sprengkraft beider Untersuchungen, von denen nicht weniger als Johnsons politisches Überleben abhängt, deutlich abgeschwächt werden. Der Premierminister hat bislang so gut wie alle Fragen zu den Partys unter Verweis auf die laufenden Untersuchungen abgeschmettert und jegliche Kenntnis von Lockdown-Verstößen abgestritten. Nun gewinnt er wertvolle Zeit, denn ein stark zensierter Bericht dürfte ihn wohl kaum gefährden. Nach einem Bericht der Zeitung Daily Telegraph vom Samstag könnte der Druck auf den Premier aber auch weiter steigen. Demnach hat seine Ehefrau Carrie Johnson im Juni 2020 in Nachrichten mit einem Beamten auf ein Geburtstagsständchen sowie einen Kuchen für den Premier gedrungen.

Berichten zufolge sollen Regierungsmitarbeiter und auch Johnson selbst während der Pandemie mit Feiern die selbst aufgestellten Corona-Regeln missachtet haben. Sollte sich das bestätigen, gilt ein Misstrauensvotum gegen Johnson, für das sich mindestens 54 Tory-Abgeordnete schriftlich gegen ihn positionieren müssten, als wahrscheinlich. Doch bis das geklärt ist, dürften nun Wochen vergehen. Die Liste der mutmaßlich illegalen Zusammenkünfte ist lang: Mehrere Weihnachtsfeiern, eine Geburtstagsrunde, eine Gartenparty und nächtliche Besäufnisse vor dem Begräbnis des Queen-Gatten Prinz Philip. Viele Britinnen und Briten zeigten sich zuletzt empört.

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