Beratungsstellen:NRW will Salafisten beim Ausstieg aus der Szene helfen

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Der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger stellt während einer Pressekonferenz das Projekt Wegweiser vor. (Foto: dpa)

Es ist ein deutschlandweit einzigartiges Projekt: Nordrhein-Westfalen richtet Beratungsstellen für Salafisten ein, die über einen Ausstieg aus der Szene nachdenken. Muslimische Verbände sind skeptisch.

Von Bernd Dörries

Anfang März hatte der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD) noch davon gesprochen, dass es in seinem Bundesland etwa 1500 Salafisten gebe. Einen knappen Monat später geht er schon von 1800 Anhängern der ultrakonservativen islamischen Strömung aus. Sie wachse "permanent und dynamisch" - und damit wächst auch die Sorge des Ministers.

Bis zu 15 Prozent von ihnen seien bereit, mit Gewalt ihre Ziele zu erreichen. Etwa 120 Islamisten seien aus NRW zwischenzeitlich nach Syrien gereist, um im dortigen Bürgerkrieg als Dschihadisten zu kämpfen, sagte Jäger am Montag in Düsseldorf. Dort eröffnete er eine von drei Beratungsstellen für Salafisten, die über einen Ausstieg aus der Szene nachdenken. "Wir setzen alles daran, junge Menschen davor zu bewahren, in die Radikalisierungsfalle zu laufen", sagte Jäger.

Drei besorgte Angehörige pro Woche

Das Projekt "Wegweiser" richte sich nicht nur an gefährdete Jugendliche, sondern auch an deren Eltern, Geschwister, Freunde und Lehrer. Denn diese merkten oft zuerst, wenn sich jemand verändere. So wie Robert B., 26, der in Solingen radikalisiert wurde und im Januar in Syrien starb. Dutzende Ungläubige habe er getötet, lobten ihn seine Glaubensbrüder auf Twitter.

Ob man an derart radikalisierte Salafisten noch herankommen kann, das vermag auch Jäger nicht zu sagen. Aber schon kleine Erfolge seien wichtig. Derzeit würden sich pro Woche etwa drei besorgte Angehörige von Salafisten beim Innenministerium melden, auf der Suche nach Beratung.

Das neue Angebot soll nun noch bekannter werden. Außer in Düsseldorf wurden auch in Bochum und Bonn Beratungsstellen eingerichtet, bei Erfolg sollen weitere Kommunen in Nordrhein-Westfalen folgen. In den "Wegweiser"-Stellen sollen individuelle Lösungen für Aussteiger gefunden werden - in Zusammenarbeit mit Sozialarbeitern, Berufsberatern, Imamen und Polizei. Das Projekt wolle bei den Ursachen ansetzen und kein reines Aussteigerprogramm sein, sagte Jäger.

Vielfältige Gründe

Die Gründe, warum junge Menschen vom Salafismus angezogen würden, seien vielfältig: Diskriminierung oder familiäre Probleme gehörten dazu. Für Sympathisanten des Salafismus und deren Angehörige würden in den Beratungsstellen individuelle Auswege aus unterschiedlichsten Problemlagen entwickelt. Dazu gehörten Hilfen bei schulischen Krisen ebenso wie psychologische und berufliche Hilfestellungen. In Einzelfällen könne auch der Verfassungsschutz hinzugezogen werden. Beraten werde aber unter strikter Vertraulichkeit.

Bei einigen muslimischen Verbänden wurde das Projekt mit Skepsis aufgenommen, weil es sich gegen den Islam als solches richten könne. Die Anlaufstellen respektierten "religiöse Überzeugungen", versicherte Innenminister Jäger, "aber keine Gewalt zur Durchsetzung extremistischer Ziele".

Der Vorsitzende der Düsseldorfer Anlaufstelle "Wegweiser", Dirk Sauerborn, erklärte, bei der Beratung gehe es nicht darum, "die Jugendlichen von der Religion wegzubringen, sondern vielmehr von einer spezifischen Ausrichtung des Islam, die im gewaltbereiten Salafismus endet".

© SZ vom 25.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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