Israel:Der Zeuge klagt an

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Die Korruptionsvorwürfe holen ihn immer wieder ein: Premier Benjamin Netanjahu. (Foto: Ronen Zvulun/Reuters)

Oppositionsführer Lapid belastet Premier Netanjahu vor Gericht. Es geht dabei um Geschenke, Gefälligkeiten - und um einen gemeinsamen Bekannten.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Benjamin Netanjahu bleibt wenig erspart in diesen Tagen. Auf Israels Straßen protestieren weiterhin Zehntausende gegen die Politik seiner rechts-religiösen Regierung, in der Koalition gibt es immer wieder Friktionen, und nun liefert auch noch sein sonst eher vor sich hin dümpelnder Korruptionsprozess frische Schlagzeilen. Der Grund: Am Montag ist dort Jair Lapid als Zeuge aufgetreten. Der Oppositionsführer sagt aus gegen den amtierenden Premierminister, allein das ist purer politischer Zündstoff. Und obendrein hat Lapid gleich am ersten Tag seiner auf drei Tage angesetzten Befragung den Angeklagten weiter belastet.

Im Jerusalemer Bezirksgericht ist Lapid mit einem blau-weißen Anstecker am Revers erschienen - als Reminiszenz an die Protestbewegung, die sich Israels Flagge zum Symbol erkoren hat. Netanjahu ließ sich im Gerichtssaal wie zumeist durch seine Anwälte vertreten. Die Duelle mit dem politischen Widersacher führt er verständlicherweise lieber von der Regierungs- als von der Anklagebank aus. Aber hier und heute ging es auch nicht um die aktuelle Politik, sondern um einen rund zehn Jahre zurückliegenden Vorgang aus einer Zeit, in der Lapid dem Angeklagten noch als Finanzminister diente. 2014 hat Netanjahu ihn dann gefeuert, ein paar Rechnungen sind offen geblieben.

Zigarren, Champagner und Schmuck aus Hollywood

Lapid ist als Zeuge geladen im "Fall 1000", einem von insgesamt drei Fällen, in denen Netanjahu seit nunmehr drei Jahren wegen Betrugs, Untreue und Bestechlichkeit vor Gericht steht. Dieser Fall firmiert auch als "Geschenk-Affäre" - es geht um Zuwendungen, die Netanjahu nebst seiner Gattin Sara von reichen Freunden erhalten hat. Einer der großzügigsten Gönner war der israelische Hollywood-Produzent Arnon Milchan, der mit Filmen wie "Pretty Woman" oder "L.A. Confidential" reich und berühmt geworden ist. Der Anklage zufolge ließ er den Netanjahus Zigarren, Champagner und Schmuck im Wert von umgerechnet weit mehr als 100 000 Euro zukommen. Dafür soll er als Gegenleistung unter anderem eine Steuerbefreiung erwartet haben.

Vor Gericht schilderte Lapid nun, wie Netanjahu bei ihm zugunsten Milchans interveniert habe - und wie er dies als Finanzminister abgelehnt habe. Hintergrund ist ein Gesetz aus dem Jahr 2008, das für im Ausland lebende Israelis bei ihrer Rückkehr eine Steuerbefreiung für ihr ausländisches Einkommen vorsah. Das Gesetz war auf zehn Jahre befristet. Milchan aber, der auf diesem Weg Millionen an Steuern sparen konnte, soll auf eine Verlängerung gedrungen haben, bei Lapid selbst, vor allem aber via Netanjahu. Zwei Mal, so erinnert sich Lapid, habe ihn Netanjahu direkt darauf angesprochen. Das sei "ein gutes Gesetz", habe der Premier ihm gesagt. Er selbst sei aber nicht tätig geworden, weil die Experten in seinem Ministerium davon abgeraten hätten.

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Lapid also zeigt sich vor Gericht als verantwortungsvoller Finanzminister. Pikant wird die Sache allerdings dadurch, dass auch er nicht unbefangen ist in Sachen Milchan. Die beiden kennen sich seit Jahrzehnten. Mitte der Neunzigerjahre arbeitete Lapid ein paar Monate lang für Milchan in einem lukrativen Job in Los Angeles. Sie blieben in Kontakt, und Israels Medien zeigen nun besonders gern ein Foto aus dem Jahr 2004, auf dem die beiden in Partystimmung in einem Tel Aviver Club bei einer gemeinsamen Gesangseinlage zu sehen sind. Auch noch als Finanzminister hat Lapid den schillernden Filmproduzenten bei sich zu Hause empfangen. Vor Gericht legt er nun aber Wert darauf, dass Milchan "kein Freund" sei.

"Es gibt ein Problem mit Lügnern."

Netanjahus Anwalt, der nach einer nur 40-minütigen Befragung durch den Staatsanwalt den Zeugen übernahm, hat nun drei Verhandlungstage Zeit, Lapids Aussagen in Zweifel zu ziehen. Gleich am ersten Tag hat er darauf hingewiesen, dass es für das direkte Treffen zwischen Lapid und Milchan keinerlei Einflussnahme durch Netanjahu gegeben habe.

Zudem sprach er Lapid grundsätzlich die Glaubwürdigkeit ab mit einem scharfzüngigen Verweis darauf, dass dieser früher auch unterschiedliche Angaben zu seiner Tätigkeit bei der Armee gemacht habe. Lapid konterte mit vergleichbarer Schärfe: "Es gibt ein Problem mit Lügnern", sagte er mit Blick auf Netanjahu. "Sie denken, dass jeder andere auch lügt. Und jeder, der korrupt ist, glaubt, dass auch alle anderen korrupt sind."

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