Bayern und das NPD-Verbot:Gut gemeint ist nicht gut genug

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Im Jahr 2003 scheiterte ein Verbot der NPD kläglich. Wer es nun besser machen will, darf nicht nur auf neue Richter hoffen. Die Geschichte eines gescheiterten Verbotsantrags.

Heribert Prantl

Das Sprichwort sagt: Gut gemeint hat oft geschadet. Das hat sich vor ein paar Jahren im NPD-Verbotsverfahren auf tragische Weise bewahrheitet. Die gutgemeinten Anträge von Bundesrat, Bundestag und Bundesregierung auf ein Verbot der NPD endeten am 18. März 2003 vor dem Bundesverfassungsgericht in einem Desaster: Die höchsten Richter wiesen die Verbotsanträge zurück, sie stellten das Verfahren ein; die rechtsextreme Szene triumphierte.

Trotz dieser Erfahrungen will Bayern einen neuen Verbotsantrag durchsetzen. CSU-Innenminister Joachim Herrmann hofft darauf, dass diesmal geht, was damals nicht ging - auch weil das Verfassungsgericht anders besetzt sein wird als 2003.

Der Verbotsantrag war seinerzeit die Speerspitze des "Aufstands der Anständigen", zu dem Bundeskanzler Gerhard Schröder im Herbst des Jahres 2000 aufgerufen hatte - nach einer Serie von Anschlägen auf Synagogen und Friedhöfe, und nachdem Neonazis Ausländer durch ostdeutsche Städte gehetzt hatten. "Wenn wir nur die Spur einer Chance haben, jene Strukturen kaputtzukriegen, die gewaltsamen Rechtsradikalismus entweder offen fördern oder decken, dann werden wir das tun." So hat das Schröder gesagt; und so ähnlich sagt es jetzt der bayerische Innenminister Herrmann. Damals wurde die Chance schlecht genutzt. Der Aufstand der Anständigen scheiterte - und der Aufstand der Unanständigen ging forciert weiter.

Keine sauberer Verbotsantrag

Das Gericht hat im März 2003 der NPD keinen Persilschein ausgestellt. Zur Verfassungsmäßigkeit der NPD hat Karlsruhe nichts festgestellt. Die Richter haben nur betont, dass der Staat einer Verfassungsfeindlichkeit nicht mit falschen Mitteln auf den Leib rücken darf - dass also der Zweck nicht die Mittel heiligt, und zwar auch dann nicht, wenn es im Namen des Rechtsstaats gegen eine rechtsstaatsfeindliche Partei geht. Selbst dann müssen die rechtsstaatlichen Prinzipien eingehalten werden.

Das Gericht hatte damals entsetzt festgestellt, dass - was die Antragsteller wohl selbst nicht gewusst hatten - die Verbotsanträge verschmutzt waren. Sie stützten sich nämlich auf Äußerungen, die NPD-Funktionäre gemacht hatten, die mehr waren als Partei-Funktionäre - sie agierten als V-Männer für den Verfassungsschutz. Es stellte sich heraus, dass in den Jahren vor dem Verbotsantrag jeder siebte Funktionär aus der NPD-Führungsebene für den Verfassungsschutz gearbeitet hatte. In den Verbotsanträgen hatte kein Wort davon gestanden.

Die Aussagen der V-Leute waren den Richtern als normales, belastendes Material präsentiert worden. Den Richtern wurden dann nach heftigem Drängen die Namen von acht V-Leuten bekanntgegeben. Das reichte ihnen nicht. Sie verlangten die Enttarnung aller V-Leute. Die Kläger dagegen boten nur an, "in camera", also in einem Geheimverfahren alles aufzudecken. Das Gericht machte dabei nicht mit. Auf 43 Seiten - Aktenzeichen 2 BvB 1/01 - kann man nachlesen, welche Anforderungen an ein Verbot der NPD gestellt werden. Zusammengefasst: Jene V-Leute müssen enttarnt werden, deren Aussagen man als Beweismittel präsentiert. Und vor einem Verbotsantrag müssen die V-Leute aus den Gremien der NPD abgezogen werden. Der Grund: Der Staat hört sonst mit, welche Verteidigung der Prozessgegner plant, er könnte die Strategie sogar steuern.

Herrmann setzt auf neue Richter - neuer Spieltisch, neues Glück

Gerichtspräsident Papier und der damalige Vizepräsident Hassemer haben im Januar 2005 in Zeitungsbeiträgen darauf hingewiesen, dass die Einstellung des Verbotsverfahrens die Einleitung eines neues Verfahrens nicht hindere. Das konnte man durchaus als Einladung verstehen, einen neuen, nunmehr sauberen Verbotsantrag zu stellen. Der bayerische Minister Herrmann hofft aber wohl eher darauf, dass ein neu besetztes Verfassungsgericht nicht mehr so streng ist.

Ein Verbot braucht eine Zweidrittelmehrheit im zuständigen 2. Senat. Im ersten Verbotsverfahren gab es diese Zweidrittelmehrheit nicht: Für eine Fortführung des Verfahrens stimmten zwar die Richter Sommer, Jentsch, Di Fabio und Mellinghoff (auf Sommer folgte mittlerweile Gerhardt, auf Jentsch folgte Landau), für die Einstellung waren Hassemer, Broß und Osterloh. Es wurde also eingestellt. An die Stelle des strengen Richters Hassemer ist mittlerweile Andreas Voßkuhle getreten, Broß und Osterloh treten im Herbst 2010 ab. Dann sind alle Richter ausgeschieden, die 2003 für die Einstellung des Verfahrens gestimmt haben. Darauf setzt der CSU-Minister mit seinem neuen Antrag - nach dem Motto: neuer Spieltisch, neues Glück.

Bayerns Regierung kann freilich für sich allein keinen Verbotsantrag stellen. Das dürfen nur Bundesregierung, Bundestag oder Bundesrat. Die CSU müsste also dort noch viel Überzeugungsarbeit leisten. In den genannten Verfassungsorganen herrscht nämlich mittlerweile mehrheitlich die Überzeugung, dass man die NPD besser durch Auseinandersetzung als durch Verbot bekämpft.

© SZ vom 10.09.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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