Die grün-schwarze Landesregierung von Baden-Württemberg mag es symbolträchtig: Zum Auftakt der Verhandlungen über eine zweite gemeinsame Regierungszeit hatten sich Grüne und CDU im "Haus des Waldes" hoch über Stuttgart getroffen. Den fertigen Koalitionsvertrag präsentierten sie nun am Mittwoch vor einer Hightech-Kulisse in einer Halle auf dem Gelände der Universität Stuttgart, in dem Fahrzeuge und Produktionsmethoden der Zukunft entwickelt werden. Der Wald ist aber ebenfalls präsent: Er ist auf dem Titelblatt des 162 Seiten starken Regierungsprogramms zu sehen, der den Namen "Erneuerungsvertrag" trägt.
Nach fünf Jahren gemeinsamer Regierung betonen Grüne und CDU mit dieser Bezeichnung einmal mehr, dass nun vieles anders werden soll. Die Tage, in denen die CDU beim Klimaschutz auf der Bremse stand, in denen sich die Koalitionspartner immer wieder in die Haare gerieten und Ministerien ihre Unstimmigkeiten über Pressemitteilung austrugen, sollen vorbei sein.
Baden-Württemberg:Lkw-Maut und Hundeführerschein
Sieben Wochen nach der Wahl haben sich Grüne und CDU in Baden-Württemberg auf ein Regierungsprogramm geeinigt. Ob alle Pläne auch bezahlt werden können, ist indes noch ungewiss.
Früher sprachen die beiden Parteien von einer "Komplementärkoalition", nun ist vom "gemeinsamen Neuanfang" die Rede, der sich auch "im Umgang der Bündnispartner miteinander" zeigen werde. "Erfolgreiche Politik setzt voraus, dass Grüne und CDU vertrauensvoll und verlässlich zusammenarbeiten."
Bis auf ein Sofortprogramm, mit dem Folgen der Corona-Pandemie ausgeglichen werden sollen, steht der Koalitionsvertrag unter einem Finanzierungsvorbehalt - auch beim Klimaschutz. Dieses Thema hatte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) ins Zentrum des Wahlkampfs gestellt. Es prägt auch den Koalitionsvertrag.
Strobl macht aus drei Kernthemen vier
Baden-Württemberg solle "so schnell wie möglich" klimaneutral werden, heißt es. Der CDU-Landesvorsitzende Thomas Strobl bemühte sich am Mittwoch einmal mehr, dem Eindruck entgegenzuwirken, dass sich die CDU fast allen Wünschen der Grünen untergeordnet habe, um weiter mitregieren zu dürfen. Es sei ein "gemeinsames Ziel", Baden-Württemberg "zum Klimaschutzland Nummer eins" zu machen.
"Wir wollen hier Maßstäbe setzen", sagte Kretschmann. Man wolle der Welt zeigen, dass ein Industrie- und Technologieland wie Baden-Württemberg im Stande sei, Klimaschutz so zu gestalten, dass die Wirtschaft davon profitiere. "Das ist unsere Aufgabe, ein Beispiel zu geben, ein kopierfähiges Modell für andere Wirtschaftsregionen der Welt."
Im Koalitionsvertrag werden drei zentrale Themen der Regierungsarbeit genannt: "Konsequenter Klimaschutz, eine neue wirtschaftliche Stärke und echter Zusammenhalt". Der alte und voraussichtlich neue Innenminister Strobl erweiterte dies bei der Vorstellung des Programms zu "vier großen Themen": Nachhaltigkeit, Innovation, Sicherheit, Zusammenhalt.
Unmittelbar nach dem Start der Legislaturperiode soll ein Sofortprogramm für den Klimaschutz auf den Weg gebracht werden. Das Land will Investoren anwerben, die im Staatswald Windräder bauen - "bis zu 1000", wenn es nach Grün-Schwarz geht. Für Gebäude in Landesbesitz soll eine Sanierungsoffensive gestartet werden, deren Finanzierung aber noch offen ist. Landeseigene Gebäude und Grundstücke sollen mit Photovoltaikanlagen ausgestattet werden. Und ein "Rat der Klimaweisen" soll die Aktivitäten des Landes regelmäßig in einem Klimabericht bewerten.
Nabu zeigt sich "einigermaßen begeistert" von den grün-schwarzen Plänen
Relativ zügig will die Koalition auch das Klimaschutzgesetz ändern. Dann soll die Pflicht, Dächer mit Solarstromanlagen auszustatten nicht nur für den Neubau von Gewerbegebäuden, sondern auch für Wohnhäuser und für Dachsanierungen gelten.
Der große Naturschutzverband Nabu bewertete das Programm positiv. "Nach erster Durchsicht der umweltrelevanten Kapitel des Koalitionsvertrages bin ich einigermaßen begeistert", sagt der Landesvorsitzende Johannes Enssle. "Wenn Grüne und CDU all diese Punkte tatsächlich umsetzen, ist das wirklich ein neuer Aufbruch für Baden-Württemberg". Sorge bereite ihm aber, dass das Programm unter Haushaltsvorbehalt steht.
Nach dem Absturz auf 24 Prozent gibt die CDU nun das Kultusministerium an die Grünen ab. Dafür darf sie aber vom Wirtschaftsressort ein neues Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen abspalten. So kann sie wie bisher fünf Ministerposten besetzen. Personalien sollen in den kommenden Tagen geklärt werden. Als neue Kultusministerin ist die frühere bayerische Landeschefin der Grünen, Theresa Schopper, im Gespräch.
Die Parteien müssen dem Vertrag noch zustimmen. Grüne und CDU haben am Samstag zu digitalen Parteitagen geladen.