Aufnahme von Guantanamo-Häftlingen:Verspätetes Zeichen

Deutschland verhandelt erneut mit den USA über die Aufnahme von Guantanamo-Häftlingen. Es ist Zeit, ein Zeichen der Solidarität zu senden, denn es geht auch um Berlins Glaubwürdigkeit.

Daniel Brössler

Als die USA befreundete Staaten vergangenes Jahr ersuchten, unschuldige Häftlinge aus dem Gefangenenlager Guantanamo aufzunehmen, erhielten sie aus Deutschland einen Korb. Der damalige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble führte Sicherheitssorgen zur Begründung an, im Kern aber war die deutsche Argumentation simpler: Deutschland nimmt keine Häftlinge auf, weil es das nicht muss. In der Tat hatten die USA keinen Anspruch auf Hilfe, sie baten um einen Freundschaftsdienst. Er wurde ihnen verweigert.

Zwischenzeitlich haben fast 40 Staaten ihre Grenzen für Gefangene aus Guantanamo geöffnet. Es sind Staaten darunter, die sich Vorteile davon erhoffen, dem mächtigen Partner einen Gefallen zu tun.

Georgien etwa, dessen Image seit dem Krieg mit Russland stark gelitten hat, nahm zuletzt drei Häftlinge auf. Zu den Aufnahmebereiten zählen aber auch etliche europäische Länder. Für sie geht es nicht um wirtschaftlichen oder politischen Gewinn, sondern um Glaubwürdigkeit. Zu den schärfsten Kritikern des vom damaligen US-Präsidenten George W. Bush rechtswidrig installierten karibischen Kerkers hatten die Staaten der Europäischen Union gehört.

Folglich waren und sind sie angesprochen, wenn dessen Nachfolger Barack Obama um Hilfe bei den Aufräumarbeiten bittet.

Monate nach der Bundestagswahl ist die Zeit nun auch in Berlin gekommen, ein verspätetes Zeichen der Solidarität zu senden. Verhandelt wird über die Aufnahme einzelner gründlich überprüfter Gefangener. Eine Garantie, dass sie sich nach Jahren im Lager zu mustergültigen Mitbürgern mausern, gibt es nicht. Ein Freundschaftsdienst, der dem Erbringer nichts abverlangt, ist keiner.

© SZ vom 29.03.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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