Atomwaffen:Koalition der Hoffnungsvollen

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Die HMS Vengeance, ein britischen Atom-U-Boot, das mit Nuklearwaffen bestückt werden kann (Foto: Tam Mcdonald/Poa(phot)/dpa)
  • Ziel ist es, einen umfassenden Vertrag auf den Weg zu bringen, der die Nutzung und den Besitz von Nuklearwaffen ächtet.
  • Deutschland, das als sogenannter nuklearer Teilhabestaat vom nuklearen Schutz durch Atomstaaten profitiert, wird die Verhandlungen boykottieren, weil die Initiative "gesinnungsethisch" sei, heißt es aus dem Auswärtigen Amt.
  • Gerade die USA und Russland fürchten, durch einen Verbotsvertrag einen zentralen Teil ihrer Macht einzubüßen und lehnen die Gespräche ab.

Von Tobias Matern, München

Bei den Vereinten Nationen in New York haben am Montag Verhandlungen über ein Verbot von Atomwaffen begonnen. Ziel ist es, in dieser Woche und in einer zweiten Runde im Juni einen umfassenden Vertrag auf den Weg zu bringen, der die Nutzung und den Besitz von Nuklearwaffen ächtet. In Vorgesprächen hatte sich bereits herauskristallisiert, dass die unter anderem von Österreich maßgeblich betriebene Initiative von etwa 130 der 193 UN-Staaten unterstützt wird. An den Verhandlungen nehmen aber weder die USA, Russland noch andere der mindestens neun Atomwaffen-Staaten teil. Auch die meisten sogenannten nuklearen Teilhabestaaten - Länder wie Deutschland, die vom nuklearen Schutz durch Atomstaaten profitieren - boykottieren die Gespräche.

Washington und Moskau, die ihre Arsenale wieder zunehmend als Mittel außenpolitischen Abschreckungspolitik einsetzen, verfügen gemeinsam über etwa 90 Prozent aller Atomwaffen. Sie fürchten, durch einen Verbotsvertrag einen zentralen Teil ihrer Macht einzubüßen und lehnen die Gespräche ab. Auch die Initiatoren der Vertragsverhandlungen gehen nicht davon aus, dass ein Nuklearwaffenverbot über Nacht alle Sprengköpfe und Raketen aus der Welt schaffen wird.

Vielmehr erhoffen sie sich eine Entwicklung, die den Besitz von Nuklearwaffen international an den Pranger stellt, so dass daraus eine neue Form internationaler Übereinkunft und letztlich die Abschaffung von Atomwaffen entsteht. "Weltweite atomare Abrüstung ist die unerledigte Aufgabe Nummer eins. Die Beseitigung biologischer und chemischer Waffen begann mit deren völkerrechtlichem Verbot", sagte Österreichs Außenminister Sebastian Kurz. Auch Irland, Brasilien, Mexiko, Nigeria und Südafrika sind treibende Kräfte für einen Verbotsvertrag.

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In Berlin werden die Bemühungen aus Wien hinter vorgehaltener Hand als unnötig bezeichnet, aber auch als etwas unangenehm empfunden. Deutschland wird die Verhandlungen boykottieren, weil die Initiative "gesinnungsethisch" sei, heißt es aus dem Auswärtigen Amt. In einem Schreiben an die Aktivistengruppe "Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen" (Ican) betont die stellvertretende Beauftragte der Bundesregierung für Abrüstung und Rüstungskontrolle zwar, dass sich die Bundesregierung "nachdrücklich für weitere nukleare Abrüstungsschritte" einsetze. Aber dies könne nur mit den Atomwaffenstaaten und nicht gegen deren Willen geschehen. Zudem befürchte die Regierung, dass ein Verbotsvertrag dem Nuklearen Nichtverbreitungsvertrag (NVV) "nachhaltigen Schaden" zufügen könnte.

Der NVV besteht vor allem aus zwei Komponenten, um die Verbreitung von Atomwaffen einzudämmen: Einerseits verpflichtet er Nicht-Nuklearstaaten, sich Kontrollen zu unterziehen, andererseits sollen die Atomwaffenstaaten ernsthafte Schritte zur Abrüstung unternehmen. Aus Sicht der Befürworter geschieht dies allerdings nicht mehr. Zudem haben die Atomwaffenstaaten Indien, Pakistan, Israel und Nordkorea den NVV nicht ratifiziert.

Chinas Staatschef Xi Jinping hatte sich kürzlich für ein weltweites Verbot von Atomwaffen ausgesprochen, doch an den Verhandlungen in New York nimmt Peking nun nicht teil. Trotz des Boykotts der Atommächte und nuklearer Teilhabe-Staaten wie Deutschland haben die Gespräche in New York einen historischen Charakter: Nach offiziellen Angaben sind es die ersten multilateralen Verhandlungen auf Ebene der Vereinten Nationen seit mehr als 20 Jahren, um dem Ziel, eine nuklearwaffenfreie Welt zu erreichen, näherzukommen.

Die Bundesregierung sieht sich heftiger Kritik aus der Zivilgesellschaft ausgesetzt, der Vorwurf lautet: "Doppelzüngigkeit". Schließlich hat sich Berlin eigentlich dem Ziel einer nuklearwaffenfreien Welt verschrieben, nun nicht an den Verhandlungen teilzunehmen, mache dieses Vorhaben "unglaubwürdig", sagt Sascha Hach von der deutschen Ican-Sektion: "Gegenüber den deutschen Wählern will sich die Bundesregierung als Motor für Friedens- und Abrüstungspolitik profilieren, in Wirklichkeit werden Bundeskanzlerin Merkel und Außenminister Gabriel zu Handlangern der USA, die gemeinsam mit Russland jeden Fortschritt in der nuklearen Abrüstung und Ächtung von Atomwaffen verhindern wollen", kritisiert Hach.

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Es ist ein offenes Geheimnis, dass in Deutschland noch etwa 20 US-Sprengköpfe lagern, die im Ernstfall von deutschen Tornado-Flugzeugen transportiert werden sollten. Ein von Berlin unterstützter Verbotsvertrag würde dies de facto ausschließen.

Die Initiatoren der UN-Verhandlungen wollen auch einen erlahmten Prozess wieder in Gang bringen: Zu Beginn seiner Amtszeit hatte der damalige US-Präsident Barack Obama im Jahr 2009 die Vision einer nuklearwaffenfreien Welt entwickelt. Zwar ist die Zahl der nuklearen Sprengköpfe seither gesunken, aber vor allem die USA stecken viel Geld in die Modernisierung ihrer Arsenale. Washington will einerseits Moskaus Ambitionen eindämmen, andererseits sieht es sich in dem Nordkoreaner Kim Jong-un einem unberechenbaren Diktator gegenüber, der offenbar Raketen entwickelt, die Alaska erreichen könnten.

Obamas Nachfolger fasste seine Haltung zur nuklearen Weltordnung so zusammen: "Es wäre wunderbar, es wäre ein Traum, wenn kein Staat Atomwaffen hätte", sagte Donald Trump. "Aber solange Staaten Atomwaffen besitzen, werden wir im Rudel ganz oben stehen."

© SZ vom 28.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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