Italien:Abschreckung auf italienisch

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Ein Herz und eine Seele? Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und ihr Minister Matteo Salvini. (Foto: Andreas Solaro/AFP)

Lager in abgelegenen Gegenden und bis zu anderthalb Jahre Haft: Wie Ministerpräsidentin Giorgia Meloni den Kurs gegen illegale Migranten verschärfen will.

Von Marc Beise, Rom

Auch in Italien spitzt sich die Debatte um die Migrationspolitik zu, und die Ereignisse gewinnen an Tempo. Eigentlich muss man sagen: Besonders in Italien gewinnen sie an Tempo, denn die Regierung hat quasi übers Wochenende Maßnahmen vorbereitet, mit denen der Staat schneller und härter als bisher auf die Herausforderung an der Südgrenze Europas reagiert; an diesem Montag wurde das Maßnahmenpaket vom Kabinett beschlossen.

In einer ungewöhnlichen Videoansprache am Freitagabend hatte Ministerpräsidentin Giorgia Meloni den Weg vorgegeben: Im Zentrum steht die Verschärfung der Abschiebehaft für irregulär Eingereiste. Die mögliche Haftdauer soll auf 18 Monate verlängert werden - mehr lässt das EU-Recht nicht zu. Damit soll sichergestellt werden, dass die entsprechenden Personen auch wirklich so lange festgehalten werden können, bis ihr Asylantrag entschieden ist, das erleichtert dann auch gegebenenfalls die Abschiebung. Weil dafür bisher die Logistik fehlt, soll das Verteidigungsministerium neue Lager in "abgelegenen, möglichst dünn besiedelten Gebieten" bauen, die gut überwacht werden können. Meloni sprach von einem Schulterschluss der Mitte-rechts-Parteien und warf Teilen der italienischen Politik und der EU vor, geeignete Maßnahmen "aus ideologischen Gründen oder, noch schlimmer, aus politischem Kalkül" zu verhindern.

Melonis Besuch auf Lampedusa stahl Salvini die Show

Die konkreten Maßnahmen, aber auch den Ton, den Meloni anschlägt, kann man durchaus als Kursänderung bezeichnen. Die Ministerpräsidentin hatte sich bisher eher moderat geäußert - obwohl sie im Wahlkampf Migranten beschimpft, eine Seeblockade gefordert und die EU als inkompetent abgekanzelt hatte. Seitdem sie im Amt ist, hatte sie das nicht mehr wiederholt und ihrem deutlich kleineren, aber selbstbewussten Koalitionspartner, der rechtspopulistischen Lega von Matteo Salvini, das Geschäft der Empörung überlassen.

Die Eskalation der Lage auf der kleinen Mittelmeerinsel Lampedusa, wo Mitte vergangener Woche Tausende Migranten in meist nicht hochseetüchtigen Booten eintrafen, hat die Situation nun grundlegend geändert. Salvini sprach sofort von "kriegerischen Akten" gegen Italien und forderte den Einsatz des Militärs. Meloni zog am Freitag mit ihrem Video nach und versucht nun, sich offenbar an die Spitze der Bewegung zu setzen.

Immerhin gelang es ihr am Sonntag, mit einem kurzfristig angesetzten Besuch auf Lampedusa gemeinsam mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die Aufmerksamkeit der italienischen und der Weltöffentlichkeit auf sich zu ziehen. Das lange angekündigte Herbsttreffen der Lega im norditalienischen Pontida geriet da zur medialen Nebensache. Salvini traf dort demonstrativ herzlich die französische Rechtsextremistin Marie Le Pen und besiegelte eine Zusammenarbeit für die Europawahl im kommenden Jahr. Für Melonis "Schaulaufen", wie sie es nannten, hatten Salvinis Leute nur Hohn und Spott übrig. Ganz offensichtlich ist ein Zweikampf um die Deutungshoheit des Themas entbrannt.

Und abgesehen davon geht es auch um konkrete, praktische Politik. Meloni setzt weiterhin demonstrativ auf Zusammenarbeit mit der EU. Sie bekräftigt ihre Politik von Abkommen mit jenen Ländern, aus denen die Flüchtlinge kommen oder wo sie sich aufhalten, bevor sie nach Europa in See stechen. Bisher hat das allerdings nicht funktioniert, stattdessen benötigen exponierte Regionen wie Lampedusa, das näher an Afrika als an Europa liegt, konkrete Hilfe bei der Bewältigung der nicht abreißenden Zahl von Migranten.

Auf Lampedusa wächst die Wut vieler Einwohner und die Sorge, dass man zu einem dauerhaften Lager für irreguläre Zuwanderinnen und Zuwanderer werden und darüber die jetzige Einnahmequelle, den Tourismus, verlieren könnte. Meloni hat am Sonntag versucht, die Befürchtungen zu zerstreuen. Sie versprach, die Flüchtlinge künftig schneller aufs Festland bringen zu lassen.

Migranten hungern und dürsten: Dramatische Szenen jetzt auch auf dem Festland

Damit scheiterte sie bereits einen Tag später. Denn nun brechen auch in Sizilien die Kapazitäten für Geflüchtete zusammen. Aus dem Aufnahmelager Porto Empedocle an der Südküste wurde berichtet, dass Migranten auf der Suche nach Essen und Wasser massenweise die Einrichtung verlassen haben. "Dieser Hotspot, der nur 200 bis 250 Menschen für die Durchreise aufnehmen sollte, fasst inzwischen mindestens 2000", zitierte die Zeitung La Repubblica den Bürgermeister. Die Geflüchteten seien unmenschlichen Bedingungen ausgeliefert. Die Verlegung auf das Festland wurde gestoppt, damit vergrößert sich das Problem auf Lampedusa wieder - eine Spirale der Probleme.

Für Meloni ist ohnehin klar, dass es nur eine funktionierende Lösung gibt: die Menschen davon abzuhalten, überhaupt in die Boote der Schlepper zu steigen und Kurs auf Italien zu nehmen. Ihre Argumentation gewinnt an Schärfe. Als von der Leyen bei der Pressekonferenz im kleinen Flughafen von Lampedusa von diesen und jenen Hilfen bei der Betreuung der Angekommenen sprach und von der Bedeutung, ein kluges Asylrecht zu haben, hörte Meloni mit unbeweglichem Gesicht zu. Nur an einer Stelle - als von der Leyen sagte: "Nicht die Schleuser, sondern wir bestimmen, wer in die EU kommen darf" - nickte Meloni.

Das passt zu ihrem Video vom Freitagabend, in dessen Verlauf sie sich unvermittelt direkt an die Migrantinnen und Migranten wandte und ihnen sagte: "Es lohnt sich für euch nicht, euch den Schleppern anzuvertrauen. Wenn ihr illegal nach Italien kommt, werdet ihr festgesetzt und dann abgeschoben." Das ist die Botschaft, die jetzt von Italien ausgeht.

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