Kaukasus:Aserbaidschan beginnt Militäreinsatz zur Rückeroberung von Bergkarabach

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Taghaward/Tağaverd ist ein geteiltes Dorf in der Konfliktregion. Hier auf einer Aufnahme von 2021. (Foto: Artem Mikryukov/Reuters)

Die Region liegt in Aserbaidschan, wird aber mehrheitlich von Armeniern bewohnt. Berichten zufolge werden auch Zivilisten getötet.

Im Südkaukasus hat Aserbaidschan einen Militäreinsatz zur Eroberung der Konfliktregion Bergkarabach begonnen. Das Verteidigungsministerium in Baku schreibt in einer Mitteilung von einer "Antiterroroperation lokalen Charakters zur Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung" in der Region.

Der Militäreinsatz diene dazu, den nach dem letzten Bergkarabach-Krieg 2020 im Waffenstillstand festgeschriebenen Rückzug armenischer Truppen aus dem Gebiet durchzusetzen. Es werde nur auf militärische Ziele geschossen, behauptete das aserbaidschanische Verteidigungsministerium. Den Angaben aus Baku zufolge wurden zuvor eigene Stellungen von armenischer Artillerie angegriffen und mehrere Soldaten verletzt.

Der frühere Regierungschef der international nicht anerkannten Republik Arzach in Bergkarabach, Ruben Wardanjan, berichtete hingegen auf seinem Telegram-Kanal von massivem Artilleriefeuer auf das Gebiet.

Infolge des Militäreinsatzes wurden laut Angaben von vor Ort mehrere Zivilisten getötet und verletzt. "Den bisherigen Informationen zufolge haben die aserbaidschanischen Angriffe mindestens zwei Tote, darunter ein Kind, und elf Verletzte, darunter acht Kinder, verursacht", schrieb der Menschenrechtsbeauftragte der international nicht anerkannten Republik, Gegam Stepanjan, auf X.

Die aktuelle Führung der Republik Arzach weist die Anschuldigungen aus Ascherbaidschan zurück. Die Verteidigungskräfte hielten sich an den Waffenstillstand, schrieb das dortige Verteidigungsministerium in einer Pressemitteilung. Der Vorwurf, die Feuerpause gebrochen und zwei aserbaidschanische Soldaten verletzt zu haben, sei "erlogen und entspricht nicht den Tatsachen", heißt es in der Mitteilung.

Das armenische Außenministerium forderte den UN-Sicherheitsrat und Russland zum Handeln auf. Es seien "klare und eindeutige Schritte zur Beendigung der aserbaidschanischen Aggression" nötig, heißt es in einer von armenischen Medien verbreiteten Mitteilung. Regierungschef Nikol Paschinjan berief eine Dringlichkeitssitzung des nationalen Sicherheitsrats ein.

Russland rief zur Beendigung der Kämpfe auf. "Wir sind tief besorgt wegen der scharfen Eskalation der Lage in Berg-Karabach", sagte die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa. Der Konflikt müsse auf diplomatischem Weg gelöst werden. Sie wies zugleich in Armenien erhobene Vorwürfe zurück, dass Russland in die Angriffspläne Aserbaidschans eingeweiht gewesen sei. Die dort stationierten russischen Truppen hätten erst Minuten vor dem Beginn des Militäreinsatzes davon erfahren, sagte sie. Auch die Europäische Union forderte ein Ende der Feindseligkeiten.

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Von Frank Nienhuysen

Der Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan ist Jahrzehnte alt

Das christlich-orthodoxe Armenien und das muslimisch geprägte Aserbaidschan sind seit Langem verfeindet. Größter Streitpunkt zwischen Eriwan und Baku ist das Gebiet Bergkarabach, das zu Aserbaidschan gehört, aber mehrheitlich von Armeniern bewohnt wird. Nach einem Krieg Anfang der 1990er-Jahre zwischen den beiden früheren Sowjetrepubliken hatte zunächst Armenien die Oberhand. In einem zweiten Krieg 2020 siegte das mit Geld aus dem Öl- und Gasgeschäft hochgerüstete Aserbaidschan und eroberte eigenes Territorium zurück. In kürzeren Militäraktionen danach besetzte Baku auch etwa 150 Quadratkilometer armenisches Staatsgebiet.

Das Außenministerium Armeniens verlangte in der vergangenen Woche, dass Aserbaidschan diese Gebiete räume. Baku erwiderte, dass Armenien immer noch acht aserbaidschanische Dörfer besetzt halte. Baku blockiert seit Monaten die Verbindung der etwa 120 000 Karabach-Armenier nach Armenien. In dem Gebiet fehlt es an Lebensmitteln und Medikamenten.

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Aserbaidschan wird in dem Konflikt von der Türkei unterstützt, während Russland als traditionelle Schutzmacht Armeniens an Einfluss verliert. "Infolge der Ereignisse in der Ukraine haben sich die Möglichkeiten Russlands verändert", sagte kürzlich der armenische Regierungschef Nikol Paschinjan in einem Interview mit dem US-Medium Politico. Sein Land wolle künftig vermeiden, von äußeren Beschützern abhängig zu sein.

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