Argentinien:Wie Präsident Milei versucht, den Staat umzubauen

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Vor dem Kongress in Argentiniens Hauptstadt Buenos Aires kommt es zu heftigen Protesten gegen das geplante Gesetz. (Foto: Natacha Pisarenko/AP)

Während eine Hitzewelle das südamerikanische Land heimsucht, bemüht sich die neue rechts-libertäre Regierung, ein gigantisches Gesetzespaket durchzubringen, das ihr deutlich mehr Macht verleihen würde. Doch der Widerstand gegen das Vorhaben ist groß.

Von Christoph Gurk, Buenos Aires

Es ist Hochsommer in Argentinien, die Sonne brennt und der Asphalt glüht. Allein in der Hauptstadt Buenos Aires kletterten die Thermometer in den vergangenen Tagen auf fast 40 Grad. Gleichzeitig wird in dem südamerikanischen Land schon seit Wochen hitzig über ein riesiges Gesetzespaket gestritten: Die neue rechts-libertäre Regierung unter Präsident Javier Milei hat es eingebracht und will es so schnell wie möglich verabschieden. Die Opposition will das dagegen verhindern, ebenso wie Sozialverbände und Gewerkschaften. Während die Abgeordneten seit Tagen im Parlament streiten, finden vor dem Kongressgebäude Proteste statt. Zuletzt kam es immer wieder zu teils heftigen Auseinandersetzungen mit der Polizei. Steine flogen, Gummikugeln und Tränengasgranaten.

Ley omnibus, Omnibus-Gesetz, wird das Reformpaket genannt, weil mit ihm eine Vielzahl der unterschiedlichsten Bestimmungen und Vorschriften gemeinsam auf den Weg gebracht werden sollen - fast so, als säßen die Artikel und Unterpunkte gemeinsam in einem Reisebus. Omnibus-Gesetze sind nichts Ungewöhnliches in Argentinien. Auch frühere Regierungen haben solche Reformpakete vorgeschlagen und verabschiedet und oft geschah das, wie jetzt auch, gleich zu Beginn ihrer Amtszeit.

Allerdings sticht das ley omnibus der neuen rechts-libertären Regierung von Javier Milei allein schon wegen seines Umfangs hervor: Das Reformpaket umfasst mehr als 300 Seiten mit über 600 Bestimmungen zu fast allen Bereichen des öffentlichen Lebens, von Wirtschaft und Arbeitsrecht über Justiz, Erziehung und Bildung, Wissenschaft und Kultur. Zwischen teils sehr spezifischen Artikeln, die sich zum Beispiel mit der Kleiderordnung von Richtern befassen oder Studiengebühren für ausländische Studenten fordern, verbergen sich dabei auch Änderungen und Neuerungen, die potenziell massive Auswirkungen auf das Leben der Menschen in dem südamerikanischen Land hätten.

Streng bei Demonstrationen, großzügig bei Schwarzarbeit

So soll zum Beispiel das Wahlrecht reformiert und das Demonstrationsrecht eingeschränkt werden. Versammlungen ab einer Größe von drei Personen bräuchten eine Genehmigung, und Strafen wegen Straßensperren würden erhöht. Gleichzeitig würden Kontrollen und Bußgelder für die Einstellung von Schwarzarbeitern wegfallen, zudem Subventionen für Kulturinstitutionen und Bibliotheken eingespart. Dazu soll eine ganze Reihe von staatlichen Firmen privatisiert werden, darunter die Post, die Hafenverwaltung, die Fluglinie Aerolineas Argentinas und die Ölgesellschaft YPF. Und die Regierung soll durch die Ausrufung eines Notstands in verschiedenen Bereichen enorme Befugnisse bekommen. So könnten etwa Teile der Gesetzgebungsgewalt für zwei Jahre auf sie übertragen werden. Präsident Milei wäre in der Lage, seine extrem wirtschaftsfreundliche Agenda ohne die Zustimmung des Parlaments durchzusetzen.

Erst vor rund eineinhalb Monaten hat der 53-Jährige sein Amt angetreten. Milei ist studierter Ökonom und selbst ernannter "Anarchokapitalist". Den meisten Argentiniern war er lange nur als polternder Talkshow-Gast mit radikalen Ideen bekannt, von der Freigabe von Schusswaffen über die Abschaffung der Zentralbank bis zur Einführung des US-Dollars als offizieller Währung im Land.

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Inmitten einer sich immer weiter verschlimmernden Wirtschaftskrise und einer stetig steigenden Inflation bekam Milei immer mehr Zuspruch. Er tritt ein für ein radikales Sparprogramm und einen Minimalstaat. Die Stichwahlen im November gewann er mit knapp 56 Prozent, im Kongress fehlt ihm allerdings eine eigene Mehrheit. Ihr Reformpaket muss die neue argentinische Regierung nun mithilfe der konservativen bürgerlichen Parteien und Teilen der Opposition durchbringen. Diese fordert dafür Zugeständnisse, unter anderem bei der Liste der staatlichen Firmen, die privatisiert werden sollen, und bei den Sonderbefugnissen für die Regierung.

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