Südamerika:In Argentinien droht ein heißer Herbst

Lesezeit: 3 Min.

"Hunger wartet nicht", steht auf dem Plakat einer Demonstrantin, die in Buenos Aires gegen die Wirtschaftsreformen der Regierung protestiert. (Foto: Gustavo Garello/dpa)

Noch ist der Rückhalt für die rechts-libertäre Regierung von Javier Milei groß. Doch der Widerstand wächst: Auf einen Generalstreik am Mittwoch könnte nach dem Ende der Urlaubssaison für viele Argentinier ein böses Erwachen folgen.

Von Christoph Gurk, Buenos Aires

Eigentlich ist der Januar in Argentinien ein ruhiger Monat: Hochsommer auf der Südhalbkugel, dazu Ferienzeit. Schulen haben geschlossen, ebenso wie viele Unternehmen. Selbst Gerichte und auch der Kongress sind in der Sommerpause. Eigentlich.

Denn dieses Jahr ist alles anders, und das liegt vor allem an einem Mann: Javier Milei. Vor gerade einmal mehr als einem Monat hat der rechts-libertäre Politiker sein Amt als neuer Präsident von Argentinien angetreten. Seitdem arbeiten er und seine neue Regierung fieberhaft eine Radikalkur für das südamerikanische Land aus.

Der höchste Geldschein im Land ist mittlerweile kaum mehr als zwei Euro wert

Tatsächlich ist die Lage dramatisch: Die Staatskassen sind leer, gleichzeitig steht Argentinien bei privaten Gläubigern und internationalen Institutionen mit über 400 Milliarden Dollar in der Kreide. Allein im Dezember lag die Inflation bei 25 Prozent und der höchste Geldschein im Land, die 2000-Peso-Note, ist mittlerweile umgerechnet kaum mehr als zwei Euro wert.

Argentiniens neuer Präsident Javier Milei glaubt, die Wurzel all dieser Probleme liege im chronischen Haushaltsdefizit. Damit soll nun Schluss sein: " No hay plata", sagt Milei, das Geld ist alle. Unmittelbar nach dem Amtsantritt am 10. Dezember hat die neue Regierung darum Subventionen gestrichen und die Währung abgewertet. Staatsfirmen sollen verkauft werden, und alle öffentlichen Bauaufträge liegen auf Eis.

Dazu will Milei Argentinien aber auch im Sinne seiner libertären Ideen umgestalten, das heißt: Markt statt Staat. Per Dekret wurde das Mietrecht entschärft und das Arbeitsrecht flexibilisiert: Die Probezeit wurde von drei auf acht Monate verlängert, der Anspruch auf Abfindungen bei Entlassung gekürzt, das Streikrecht eingeschränkt.

Gegen einen möglichen "öffentlichen Notstand" regt sich Protest

Mittlerweile hat die neue argentinische Regierung sogar noch einmal nachgelegt: Ende Dezember schickte sie ein gigantisches Gesetzespaket an den Kongress, mehr als 300 Seiten lang, mit über 600 Unterpunkten, von Kleidungsvorschriften für Richter und der Einführung von Studiengebühren für ausländische Studenten bis hin zur Einschränkung des Versammlungsrechts, massiven Einsparungen bei Kultur- und Bildungsprogrammen, einer Reform des Wahlrechts und der Ausrufung eines "öffentlichen Notstandes", wodurch die Regierung weitreichende Befugnisse hätte.

Vor allem der letzte Punkt hat für massive Kritik gesorgt - und dennoch: Breiter Protest blieb bislang aus. Mileis Rückhalt in der Bevölkerung ist noch groß: Gerade einmal zwei Monate ist es her, dass der 53-jährige exzentrische Ökonom die Stichwahl um das Präsidentenamt gewonnen hat, mit 56 Prozent der Stimmen. Nun, rund einen Monat nach Amtsantritt, scheinen viele Argentinier erst mal abwarten zu wollen, was die neue Regierung bringt.

Diese bemüht sich, erste Erfolge zu präsentieren: Die Inflation im Dezember sei zum Beispiel mit rund 25 Prozent nicht so schlimm wie von einigen Experten vorausgesagt. "Alles unter 30 Prozent ist ein Erfolg", sagt Milei. Dazu habe man sich mit dem Internationalen Währungsfonds auf die Fortführung eines Kreditprogramms geeinigt.

Gerichte haben einen Teil von Mileis Dekret schon rückgängig gemacht

Ohnehin: Der Rückhalt im Ausland sei groß, betont Mileis Team immer wieder. Die erste Auslandsreise zum Beispiel führte Argentiniens neuen Präsidenten Mitte Januar zum Weltwirtschaftsforum in Davos. Schon im Vorfeld habe es rund 80 Gesprächsanfragen gegeben, hieß es aus der argentinischen Regierung. Auf dem Treffen selbst warnte Milei dann auf der Bühne vor dem Sozialismus, aber auch vor angeblich radikalen Feministinnen und manipulierenden Massenmedien. Im Saal führte das zu Kopfschütteln, im Netz aber zu Beifallsstürmen von Fans, unter ihnen auch Tesla-Gründer Elon Musk.

Gleichzeitig aber wächst auch der Widerstand. Argentinische Gerichte haben schon einen Teil des Dekrets von Milei wieder rückgängig gemacht, und auch Teile des Gesetzespakets mussten von der neuen Regierung verändert werden: Sie hat im Parlament keine eigene Mehrheit und ist auf die Unterstützung des bürgerlichen Lagers und sogar Teilen der peronistischen Opposition angewiesen. Doch dort erwartet man Gegenleistungen. Bei den Privatisierungen musste Milei schon teilweise zurückrudern, ebenso wie bei der Dauer der Sonderbefugnisse.

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Dazu wächst auch der Druck auf der Straße: Für Mittwoch hat der mächtige Gewerkschaftsbund CGT zu einem Generalstreik aufgerufen. Sechs Millionen Mitglieder hat er, und schon in der Vergangenheit haben sie bewiesen, dass sie das Land lahmlegen können, wenn es drauf ankommt. Allerdings stehen die Gewerkschaften in Argentinien auch im Ruf, mafiös zu sein und weniger für die Rechte der Arbeiter zu kämpfen als um eigene Pfründe. Dazu ist ohnehin Ferienzeit, Strand also statt Streik.

Die große Frage ist darum, was passiert, wenn die Urlaubssaison vorbei ist. Wenn auf der Heimfahrt von den Ferienorten die Preisanzeige an den Zapfsäulen immer höher klettert; wenn im Briefkasten die ersten Strom- und Gasrechnungen ohne Subventionen liegen und das Weihnachtsgeld aufgebraucht ist, das es laut Gesetz im Dezember zuzüglich zum Gehalt gibt. Gut möglich, dass auf den Sommer in Argentinien dann ein heißer Herbst folgt.

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