Psychologie:Mehr ist weniger

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Zu den Dingen, die viele gerne aufschieben, gehört das Erledigen der Einkommensteuererklärung. (Foto: imago stock&people)

Manchmal kann etwas Zusatzarbeit das Gefühl von Anstrengung reduzieren. Wie das geht, haben Psychologen untersucht.

Von Sebastian Herrmann

Der Alltag wirft einem Stöckchen um Stöckchen zwischen die Beine. Wie ein alter Esel hopst man über diese Hindernisse und müht sich, wieder auf zwei Beinen zu landen. Eine Anfechtung folgt auf die nächste, nach jeder erledigten Aufgabe lauern zwei, drei unerledigte hinter der nächsten Ecke, um sich ihrerseits mit Verve in den Weg zu werfen. Behörden schicken Formulare, die ausgefüllt werden wollen. Kinder bringen Hausaufgaben und sogenannte Projekte aus der Schule nach Hause, für die sie die Hilfe ihrer Eltern einfordern. Der Haushalt sollte auch nicht ganz aus dem Ruder laufen. Und dann wartet da noch der Arbeitgeber, der hat ja ebenfalls Ideen, wie Angestellte ihre Zeit verbringen könnten. Hops, hops, alter Esel.

All das ist nichts Besonderes, schon klar, nur etwas larmoyantes Gejaule. Und doch: "Sogar einfache Alltagstätigkeiten", schreiben Psychologen um Edward Yuhang Lai und Julio Sevilla in einer Studie, "erfordern oft Konzentration und ein Auge für das Detail." Mit anderen Worten: Sie sind lästig, das darf auch die Wissenschaft mal anerkennen. Wem es nun gelingt, sich selbst zu überlisten, der kann derlei lästige Aufgaben entspannter abhaken. Und an dieser Stelle kommen abermals die Psychologen um Lai und Sevilla ins Spiel, die in ihrer Studie nämlich einen Weg skizzieren, wie sich ein Berg Arbeit in der Rückschau als weniger steil, hoch und fürchterlich anfühlt.

Zunächst klingt es paradox, was die Forscher zur Alltagsentlastung vorschlagen: Mehr statt weniger Arbeit verschaffe Erleichterung. Wie bitte? An eine Reihe anstrengender, fordernder Aufgaben hintenraus noch ein paar leichte Zusatztätigkeiten dranzuhängen, so das Rezept der Psychologen, mindere die in das Gesamtpaket investierte Anstrengung. Die Probanden der Forscher ließen sich auf diese Weise jedenfalls überlisten. Leichte Tätigkeiten im Anschluss an körperlich oder geistig fordernde Tätigkeiten reduzierten ihren Eindruck des Gesamtaufwandes. Im Schnitt waren die Studienteilnehmer dann auch eher zufrieden mit ihrer Leistung und schafften sogar mehr. All das, obwohl sie objektiv mehr Zeit und Arbeit hatten investieren müssen. Allerdings müsse der Anforderungsunterschied deutlich sein, so die Forscher, damit sich die Wirkung einstellt.

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Was treibt den beobachteten Effekt an? Das Team um Lai wirft einige Ideen in den Ring. Es könnte sich um ein vom Kurzzeitgedächtnis getriebenes Phänomen handeln. Die Larifari-Aufgaben am Ende verdrängen die Erinnerung an die Mühen zuvor. Andere Studien haben zum Beispiel gezeigt, dass Schmerz dann besonders arg empfunden wird, wenn dessen Intensität am Ende statt am Anfang oder in der Mitte einer Behandlung am stärksten ist. Das Ende prägt die Bewertung einer Erfahrung, und wenn das Ende halb so wild ist, dann war die ganze Sache vielleicht nicht schlimm, in der Rückschau zumindest. Also, für das nächste Mal, wenn die Elterngeldstelle oder das Finanzamt wieder rätselhafte Formulare schicken, steht die Strategie: Erst den demütigenden Behördenkram erledigen, dann noch mit den Kinder Hausaufgaben machen. Es müssen auch nicht Hausaufgaben sein, schließlich ist alles leichter, als sich durch Formulare deutscher Behörden zu ackern.

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