Manfred Todtenhausen, 61, FDP-Bundestagsabgeordneter, hat noch kein Spiel der deutschen Fußball-Nationalmannschaft verpasst. Sein Verein: Wuppertaler SV Borussia, 4. Liga. Sein größter Wunsch: Das Halbfinale Deutschland gegen Italien sehen. Live. Doch daraus wird nichts.
SZ.de: Herr Todtenhausen...
Todtenhausen: Sie haben von meinem Pech gehört. (lacht) Das ist entsetzlich: Jetzt bin ich erst seit heute Schriftführer im Bundestag. Und dann das. Ich hatte meine Zeit ja eigentlich schon mit Fußball verplant.
SZ.de: Sie können also das Halbfinale Deutschland gegen Italien nicht sehen. Ganz schöner Mist, oder?
Todtenhausen: Ich werde wohl heimlich einen Live-Ticker auf meinem Handy verfolgen müssen.
SZ.de: Das ist ja furchtbar. Müssen da unbedingt zwei Schriftführer sitzen? Kann Ihre Kollegin das nicht alleine machen?
Todtenhausen: Das wäre schön. Leider sind zwei Schriftführer vorgeschrieben. Aus der Nummer komme ich nicht mehr raus.
SZ.de: Unter uns, können Sie sich nicht krank melden?
Todtenhausen: Das ist nicht mein Stil.
SZ.de: Wie konnte Ihnen das überhaupt passieren?
Todtenhausen: Das frage ich mich auch. Als ich am Dienstag gefragt worden bin, ob ich die Funktion des Schriftführers übernehmen möchte, wusste ich nicht, dass das EM-Spiel dann für mich gelaufen ist. Als mir das bewusst geworden ist, ist mir doch erst einmal ein Schreck in die Glieder gefahren. Ich hatte mich doch schon mit T-Shirt und Schminke ausgestattet.
SZ.de: Das Shirt können Sie ja dann im Bundestag tragen. Und die Schminke bringt etwas Farbe ins Plenum.
Todtenhausen: (prustet los) Das ist die Frage, ob ich mein Gesicht heimlich mit Deutschlandfarben schminken darf. Aber ich glaube nicht, dass das ist in diesem hohen Hause möglich ist.
SZ.de: Also keine Schminke im Plenarsaal?
Todtenhausen: Nein. Ich nehme vielleicht heimlich ein Fähnchen mit und wenn ich merke, dass da nicht so viel los ist, dann...
SZ.de: ...schwenken Sie es.
Todtenhausen: Vielleicht heimlich aus der Hüfte heraus, wenn ein Tor für Deutschland fällt. Ansonsten ist der Abend dann für mich gelaufen.
SZ.de: Wie weh tut der Gedanke daran?
Todtenhausen: Es schmerzt sehr, glauben Sie mir. Auf dieses Spiel habe ich mich so sehr gefreut, bisher habe ich keines verpasst. Und wenn ich es auch nur mit einem Auge gesehen habe - manchmal muss man ja dabei arbeiten. Vielleicht kann man ja einen Antrag stellen, dass im Plenarsaal eine Großleinwand aufgestellt wird. Ohne Ton, dass man wenigstens etwas sehen kann.
SZ.de: Und Sie glauben, dass das klappt?
Todtenhausen: Nein, das klappt nicht, da bin ich mir ziemlich sicher.
SZ.de: Schade. Aber voll wird es morgen Abend im Bundestag ja sicherlich nicht.
Todtenhausen: Ich gehe davon aus, dass bei den entsprechenden Tagesordnungspunkten die zuständigen Fachpolitiker da sein werden - wie sonst auch.
SZ.de: Oder sie sitzen vor dem Fernseher.
Todtenhausen: Naja, wenn 400.000 Menschen draußen auf der Fanmeile jubeln, kann man das bestimmt bis in den Bundestag hören.
SZ.de: Sie können das Spiel auch aufnehmen und es nach der Sitzung anschauen?
Todtenhausen: Das tu ich mir nicht an. Fußball ist für mich nur live richtig spannend. Aber wir kommen ja sowieso weiter. Das Endspiel Deutschland-Spanien guck ich mir dann an. Hoffentlich werden wir die harte Nuss knacken.