Anwalt des Bundespräsidenten zu Anruf bei Bild-Chef Diekmann:"Wulff fürchtet sich nicht vor einer Veröffentlichung"

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Es sei ein "Tabubruch" - trotzdem stellt der Anwalt des Bundespräsidenten es den Medien indirekt frei, Wulffs Anruf bei "Bild"-Chefredakteur Diekmann zu veröffentlichen. Nun gilt es als wahrscheinlich, dass der Wortlaut des Gesprächs bald zu lesen oder vielleicht sogar zu hören ist.

Im Streit um den Anruf von Bundespräsident Christian Wulff bei der Bild-Zeitung hat sein Anwalt Gernot Lehr dem Boulevardblatt, aber auch anderen Zeitungen, die Freigabe des Gesprächs indirekt freigestellt. Wulff fürchte die Veröffentlichung seiner Nachricht auf der Mailbox von Bild-Chefredakteur Kai Diekmann nicht, sagte Lehr der Süddeutschen Zeitung.

Bundespräsident Christian Wulff fürchte die Veröffentlichung seiner Mailbox-Nachricht an Bild-Chefredakteur Kai Diekmann nicht, sagt sein Anwalt. (Foto: dpa)

Auf Anfrage der Bild-Zeitung hatte Wulff in der vergangenen Woche einer Veröffentlichung nicht zugestimmt. Lehr erklärte dazu, Wulff habe in seinem Schreiben an die Bild-Zeitung deutlich gemacht, dass die Medien in eigener Verantwortung entscheiden müssten, ob sie ein solches Dokument veröffentlichten. Allerdings sei es "schon ein Tabubruch", wenn ein solcher Anruf publiziert werde. Dem Dokument, das einigen Zeitungen vorliegt, wird eine große Bedeutung zur Klärung der Frage beigemessen, ob Wulff eine kritische Berichterstattung über seinen Hauskredit in der Bild-Zeitung verzögern oder ganz verhindern wollte.

Dem Bundespräsidenten und auch Lehr liegt erst seit kurzem eine Abschrift der Mailbox-Nachricht vor. "Es steht fest, dass der Bundespräsident die Berichterstattung nicht verhindern wollte", sagte Lehr. Wulff sei besorgt gewesen, dass die Artikel in dem Boulevardblatt die Privatsphäre der Unternehmergattin und Kreditgeberin Edith Geerkens belasten würde. "Nur deshalb hat er dringend gebeten, dass er die Chance bekommt, die Sache noch einmal mit der Redaktion zu besprechen."

Wulff führte auch ein Telefonat mit dem Springer-Vorstandsvorsitzenden Mathias Döpfner, das im Ton zeitweise noch härter gewesen sein soll als der Anruf bei Bild. Von einer "Konfrontations-Kampagne" der zum Springer-Verlag gehörenden Boulevardzeitung soll Wulff gesprochen haben und davon, dass da eine Sache skandalisiert werden sollte, "die nicht zu skandalisieren ist". Er soll mit einem Bruch der Beziehungen des Bundespräsidialamtes zum Verlag gedroht haben.

Krieg, aber im Ton sehr ruhig

Aus der Abschrift der Mailbox-Nachricht, die von Bild im Dezember an zwei Redaktionen weitergereicht worden war, um angeblich deren Meinung zu dem Vorgang zu erfahren, geht sowohl hervor, dass Wulff um eine Verschiebung bat, aber auch einen Strafantrag gegen die Rechercheure von Bild ankündigte. Mehrmals verwendete er die Vokabel "Krieg" und sagte auch, dass der "Rubikon" für ihn und seine Frau überschritten sei. Der Wortlaut der Abschrift kann zumindest den Eindruck entstehen lassen, dass Wulff das Erscheinen der Geschichte verhindern wollte. Auch wenn Wulff in dem Anruf den Journalisten drohte und gleichzeitig um "Vergebung" bat, soll er im Ton sehr ruhig geblieben sein. "Das war kein Wutanruf", sagt ein mit dem Fall vertrauter Journalist, dem ein Band vorgespielt wurde. "Wulff redet sehr ruhig."

Nach der indirekten Freigabe durch Wulffs Anwalt gilt es als wahrscheinlich, dass der Wortlaut des Gesprächs alsbald veröffentlicht werden könnte. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass bald ein Audiofile des Gesprächs erscheint. Die Bild-Recherche sei "vorbildlich gewesen" sagte ein Springer-Journalist. Im Verlag geht man davon aus, dass die Wulff-Geschichte von Bild für einen Investigativ-Preis vorgeschlagen wird. Der Presserechtler Lehr, der Mitte Dezember mit dem Fall betraut wurde, sagte, alle Details der Kreditvergabe und der Reisen Wulffs seien "nach bestem Wissen und Gewissen vollständig offengelegt worden". Da "gibt es nichts mehr, was noch ungeklärt ist".

Die SPD bekräftigte ihr Angebot an Kanzlerin Angela Merkel, im Fall eines Rücktritts Wulffs gemeinsam einen Nachfolger zu suchen. Dafür sieht Merkel keinen Anlass. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles bestritt auch, dass es zwischen ihr und dem Vorsitzenden Sigmar Gabriel einen Konflikt um die Konsequenzen aus der Affäre gebe. Nahles hatte am Wochenende einen Rücktritt Wulffs mit Neuwahlen verknüpft. Gabriel hatte daraufhin erklärt, die SPD fordere keine Neuwahlen.

© SZ vom 10.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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