Es ist seit Langem wieder der erste mutmaßlich islamistische Anschlag mit einem Todesopfer in Deutschland: Der Syrer Abdullah al-H. soll am Abend des 4. Oktober in Dresden ein schwules Paar aus Nordrhein-Westfalen mit Küchenmessern angegriffen und schwer verletzt haben. Einer der Männer starb an seinen Verletzungen, der Angreifer entkam zunächst.
Wie sich nun herausstellt, hatten die deutschen Sicherheitsbehörden schon vor einiger Zeit eine Warnung erhalten, dass der 20 Jahre alte Abdullah al-H. so etwas planen könnte. Diese Warnung, die bereits im August 2019 von einem ausländischen Nachrichtendienst an den deutschen Bundesnachrichtendienst (BND) geschickt wurde, blieb dann aber offenbar liegen. Nach Recherchen von Süddeutscher Zeitung, WDR und NDR leitete die zuständige Sachbearbeiterin beim BND den Hinweis nicht an die Polizei oder den Verfassungsschutz in Sachsen weiter.
Es gibt offenbar eine Erklärung für die Verzögerung beim BND: Der ausländische Nachrichtendienst hatte 2018 schon mal eine fast gleichlautende Warnung verschickt, und beim BND war man deshalb irritiert, ob es sich nun diesmal um einen technischen Fehler oder ein Missverständnis handeln könnte. Die BND-Spezialistin habe sich bemüht, dies durch eine Rückfrage bei dem ausländischen Geheimdienst aufzuklären, aber keine Antwort erhalten.
Auch wird in Sicherheitskreisen betont: Die Behörden in Sachsen seien ohnehin schon aufmerksam gewesen, sie bewerteten Abdullah al-H. ohnehin als Gefährder der obersten Stufe. Bis Ende September dieses Jahres saß er wegen anderer Taten in dem Bundesland in einem Gefängnis. Nach seiner Entlassung aus der Haft Ende September sei er observiert worden, so gut es ging. Zwar gelang es Abdullah al-H. dann mutmaßlich trotzdem, diesen Anschlag zu verüben. Aber eine zusätzliche Warnung aus dem Ausland hätte an den Vorsichtsmaßnahmen in Sachsen nichts mehr geändert, so heißt es zumindest.
Dennoch bewertet auch der BND selbst den Vorgang intern als Verfehlung, wie zu hören ist. Man hätte dem Hinweis aus dem Ausland konsequenter nachgehen und jedenfalls das Gemeinsame Terrorabwehrzentrum von Bund und Ländern informieren müssen, damit sich auch andere Behörden ein Bild machen können. Auch in der Bundesregierung ist, ungewöhnlich deutlich, von einem "Fehler" die Rede.