Kanzlerin in Israel:"Danke, Merkel"

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Gruppenbild mit vielen Damen: Bundeskanzlerin Angela Merkel und Israels Regierungschef Naftali Bennett mit den Ministerinnen der 36. israelischen Regierung. (Foto: Amos Ben-Gershom/dpa)

Bei ihrer achten und letzten Reise nach Israel als Bundeskanzlerin wird Deutschlands Regierungschefin als "wahre Freundin" umschmeichelt - aber auch politische Differenzen werden erörtert

Von Peter Münch, Jerusalem

Dafür, dass sie gerade mit Lob und Zuneigung überschüttet wird, schaut Angela Merkel ziemlich ernst drein. "Nach 16 Jahren haben wir Sie lieben gelernt", sagt ein israelischer Journalist zur deutschen Kanzlerin im Jerusalemer King David Hotel. Sie steht auf dem Podium neben Premierminister Naftali Bennett, der sie gerade als "wahre Freundin Israels" umschmeichelt und zum "moralischen Kompass des gesamten europäischen Kontinents" ernannt hat. Zuvor hatte die Jerusalem Post einen Artikel zum Israel-Besuch der Kanzlerin mit der schlichten Zeile "Danke, Merkel" überschrieben.

Es ist also ein Abschied der gefühligen Art - und damit nichts, was Merkel behagt. Je süßer das Lob, desto strenger bleiben ihre Gesichtszüge. Auf Fragen nach der emotionalen Befindlichkeit im Heiligen Land antwortet sie mit strikter Sachlichkeit. Schließlich ist sie gekommen, um zu arbeiten, und als Beweis dafür hat sie sich auch bei ihrem Abschiedsbesuch ein strammes Programm auferlegt. Themen, strittige mithin, gibt es im deutsch-israelischen Verhältnis sowieso genug.

Am Samstagabend schon ist sie angereist, damit es am Sonntagmorgen gleich in aller Frühe losgehen kann. Als Erstes trifft sie sich mit Regierungschef Bennett. Er ist erst seit knapp vier Monaten im Amt, als Nachfolger Benjamin Netanjahus, mit dem Merkel, so freundschaftlich wie möglich, manchen Strauß auszufechten hatte. Mit dem Neuen gibt es also zum Abschied ein Kennenlernen - allem Anschein nach scheinen sie sich wechselseitig wohlgesonnen zu sein. Merkel bedankt sich für die Einladung beim "lieben Naftali". Bennett knipst sein feinstes Lächeln an.

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Viel Zeit zu zweit bleibt allerdings nicht, denn zu Ehren Merkels hat sich am Vormittag das gesamte israelische Kabinett zu einer Sondersitzung im King David Hotel zusammengefunden. Ein wirklich großer Tisch war dafür nötig, zum einen wegen der coronabedingten Abstandsregeln, zum andern, weil es die israelische Regierung neben dem Premier noch auf 27 Ministerinnen und Minister bringt. Als Farbtupfer im gelben Blazer sitzt Merkel nun vor den Vertretern dieser höchst diversen Acht-Parteien-Koalition und bekennt fast erleichtert: "Im Vergleich zu Ihrer Regierung erscheint eine deutsche Koalition als sehr einfache Sache."

Die deutsche Koalitionsbildung allerdings ist nicht mehr ihr Geschäft, die Vertretung Deutschlands in der Welt jedoch sehr wohl noch bis auf Weiteres. So geht es beim gemeinsamen Auftritt mit Bennett gleich mitten hinein in die globalen Spannungsfelder. "Iran ist an der Schwelle zur Nuklearmacht", warnt Israels Premier. "Das ist eine Schande für die Welt und bedroht den Weltfrieden."

Das darf Merkel durchaus als Vorwurf verstehen, schließlich gehört Deutschland zu den treibenden Kräften hinter dem von Israel heftig bekämpften Atomabkommen mit Iran und macht sich nun für eine Neuauflage stark. "Meinungsverschiedenheiten" werden hier eingeräumt, doch Merkel versucht es mit beruhigenden Botschaften. "Deutschland ist nicht neutral", sagt sie. "Wenn Iran die Vernichtung Israels im Programm hat, muss man das ernst nehmen." Keinen Hehl macht sie jedoch daraus, dass sie sich eine schleunige Rückkehr Teherans an den Verhandlungstisch wünscht. "Wir stehen vor entscheidenden Wochen."

Den zweiten Punkt auf der Liste der Differenzen, nämlich Israels Umgang mit den Palästinensern, spricht Merkel als Ceterum censeo an: "Wir dürfen die Idee einer Zwei-Staaten-Lösung nicht vom Tisch nehmen, auch wenn es derzeit fast aussichtslos aussieht." An dieser Aussichtslosigkeit hat auch der aus dem rechten Siedlerlager stammende Bennett seinen Anteil, der die Gründung eines Palästinenserstaats kategorisch ablehnt. "Wir haben die Erfahrung, dass ein palästinensischer Staat wahrscheinlich bedeutet, dass ein Terrorstaat entsteht", kontert er.

Das sind die festgefahrenen Fronten, die Merkel gut kennt aus den vergangenen 16 Jahren - und die nichts daran geändert haben, dass sie zu Israel ein wohl engeres und auch emotionaleres Verhältnis aufgebaut hat als zu jedem anderen Staat. Zum ersten Mal war sie 1991 als Bundesministerin für Frauen und Jugend nach Israel gereist und hatte damals noch vorsorglich eingeräumt, dass sie als frühere DDR-Bürgerin nur wenig über das Land und die Juden wisse. Das hat sich gründlich geändert. Als Kanzlerin ist sie nun zum achten Mal hier. Helmut Kohl brachte es in seinen 16 Regierungsjahren nur auf zwei Besuche. Deutschlands Verantwortung angesichts des Holocausts ist ein Leitfaden ihrer Politik geworden. Und sie hat Geschichte geschrieben mit dem 2008 in der Knesset gesprochenen Satz von Israels Sicherheit als Teil der deutschen Staatsräson.

"Immerwährende Verantwortung und Mahnung"

Ihr zu Ehren haben die Israelis sogar ihren Amtstitel hebräisiert: HaKanzlerit, die Kanzlerin, wird sie überall genannt. Die bange Frage, die auch Merkel in Jerusalem immer wieder gestellt wird, ist nun allerdings, ob sich auch ein Nachfolger in gleicher Weise mit Israel verbunden fühlt. "Ich bin optimistisch", sagt Merkel da, "dass sich jede deutsche Bundesregierung der Sicherheit Israels verpflichtet fühlt."

Noch aber ist sie ja da, und viele wollen sie treffen in Jerusalem. Mittags speist sie mit Präsident Isaac Herzog, später trifft sie Außenminister Jair Lapid. Ein Ehrendoktor der Universität Technion in Haifa wird ihr noch verliehen, und in ihrem Namen wird künftig ein Forschungsstipendium für weibliche Wissenschaftler vergeben. Viel Zeit nimmt sich Merkel aber vor allem noch einmal für den Besuch der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem. In der Halle des Erinnerns legt sie einen Kranz nieder. Ins Gästebuch schreibt sie: "Die hier dokumentierten Verbrechen gegen das jüdische Volk sind uns Deutschen immerwährende Verantwortung und Mahnung." Ein entschiedenes Vorgehen gegen Antisemitismus, Hass und Gewalt sei "Verpflichtung für jede Bundesregierung."

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