Peter Altmaier (CDU) zieht seinen linken Mundwinkel hoch und schaut ins Leere, als wären ihm jetzt gerade einige wohlformulierte Gemeinheiten einfallen. Die er dann aber doch verwirft. Umweltminister Altmaier sitzt neben Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) in der Bundespressekonferenz. Sie sind beide angetreten, um den ersten Monitoring-Bericht zur Energiewende vorzustellen. Schon der gemeinsame Auftritt ist eine Nachricht wert.
Die Frage, die Altmaiers Fantasie beflügelt, nimmt Bezug auf das nahende Ende der Welt. Nach pessimistischen Interpretationen des Maya-Kalenders ist am 21. Dezember alles und vorbei. Ob die beiden Minister sich gegenseitig vermissen werden?
Altmaier hat etwas Zeit, seine Antwort zu formulieren. Die anwesenden Journalisten würden einiges geben, in diesem Moment in seinen Kopf blicken zu können. Rösler geht auf die Frage gar nicht ein. Der Umweltminister entschließt sich, ihr auszuweichen. Am Vorabend des Weltuntergangs werde er im virtuellen Treffpunkt "Dicker Engel"* mit Piraten über die Energiewende diskutieren. Im Internet werde seit einigen Tagen überlegt, "ob es da einen Zusammenhang gibt". Sagt er und schmunzelt.
Mr. Energy und Mr. Low-Battery
Kein Platz für kleine Spitzen also: Rösler und Altmaier haben sich offenbar fest vorgenommen, an diesem Tag Einigkeit zu demonstrieren. Röslers Sprecher flüstert nach der Pressekonferenz seinem Minister ins Ohr: "Ist doch gut gelaufen."
Vor wenigen Wochen noch hatte Rösler Altmaiers Energiekonzept in der Luft zerrissen. Das Umweltministerium setzt auf Dialog, um Energiepreise und Versorgungssicherheit während der Energiewende in Einklang zu halten. Rösler reicht das nicht. Angesichts der Strompreisentwicklung "wundere ich mich über die Zögerlichkeit der Union", schoss er seinem Ressortkollegen vor den Bug.
Altmaier mache "zu kleine, zu langsame Schritte". Bis zur Wiedervorlage des Konzeptes im Mai nächsten Jahres müssten schon wieder sieben Monate Stromrechnungen bezahlt werden. "Ich sage: Die Zeit der Konsensfindung muss jetzt mal vorbei sein, die Ursachen sind bekannt und meine Lösungen liegen auf dem Tisch, jetzt ist die Zeit für Entscheidungen."
Altmaier scheint das Nervenkostüm des Wirtschaftsministers ziemlich strapaziert zu haben. Seit Merkel den CDU-Mann nach der von Norbert Röttgen vergeigten NRW-Wahl in ihr Kabinett holte, gibt der 54-Jährige den Duracell-Hasen. Er lässt kaum eine Kamera und kaum eine Talkshow aus, um für die Energiewende zu werben. In Windeseile war Altmaier der Mr. Energy der Umweltpoltik. Rösler stand daneben, als hätten gerade seine Alkali-Batterien schlapp gemacht.
Jetzt stellen sie demonstrativ ihre Gemeinsamkeiten heraus. Machen inflationär Gebrauch von den Worten "wir" und "gemeinsam", präsentieren sich unzertrennlich. Die einstigen Rivalitäten? Es sei ja nicht so, dass "jede sachliche Diskussion gleich Zwist oder Streit" bedeute, winkt Altmaier ab. Nur zum "Du" haben die beiden Minister noch nicht gefunden.
Bedeutungsschwangeres Nicken
In der Energiewende habe die Bundesregierung große Fortschritte gemacht, betont CDU-Mann Altmaier. Gemeinsam sei ein Netzbedarfsplan entwickelt worden, gemeinsam sei die Priorisierung neuer Stromtrassen vorangetrieben worden. Es gebe jetzt eine gemeinsame Position zu Offshore-Windkraft. Immer wieder schaut Altmaier zu Rösler als wolle er ihn umgehend zwangsumarmen. Und Rösler nickt jedesmal bedeutungsschwanger.
Erstaunliche Sätze fallen an diesem Vormittag. Rösler sagt etwa: "Obwohl wir acht Kernkraftwerke vom Netz genommen haben, ist die Versorgungssicherheit nicht gefährdet." Hätte Rösler noch vor zwei Jahren einen solchen Satz im FDP-Bundesvorstand angekündigt, er hätte sich wohl umgehend einem Parteiausschlussverfahren stellen müssen.
Und Altmaier verkündet: "Die Energiewende war richtig, ist richtig und bleibt richtig." Weil er allerdings so einen Satz auch schon vor drei Jahren hätte sagen können, ist er wohl erst jetzt Umweltminister geworden.
Es geht also langsam voran. Die Autoren einer Stellungnahme von Experten zum Monitoring-Prozess mahnen zwar zur Eile. Aber auch sie, allen voran Andreas Löschel von der Uni Mannheim, sehen die Energiewende grundsätzlich auf dem richtigen Pfad. Und der Monitoring-Bericht selbst? Eher eine objektive Bestandsaufnahme oder Wunschdenken? Löschel sitzt rechts von Rösler, schaut ihn an und sagt: "Der Monitoring-Bericht enthält sehr viel Wahrheit."
Das wiederum ist für einen Bericht, der durch Röslers Hände gegangen ist, durchaus auch eine Nachricht wert.
Linktipps: Details zum Monitoring-Bericht und Fragen und Antworten zum Stromnetz-Ausbau der Bundesregierung
* Hinweis: Wir hatten zunächst den "Dicken Engel" als Berliner Kneipe bezeichnet. Dort gibt es eine Gaststätte dieses Namens, doch der gemeinte Ort ist ein virtueller Treffpunkt der Piratenpartei. Wir haben den Fehler korrigiert.