Am 2. Mai erschossen Soldaten der amerikanischen Elitetruppe Navy Seals den lange gesuchten Al-Qaida-Chef Osama bin Laden in seinem Versteck im pakistanischen Abbottabad. Und die Welt fragte sich vor allem eines: Wie hatte der Terrorchef dort jahrelang unbehelligt leben können - kaum 50 Kilometer von der Hauptstadt Islamabad entfernt, in direkter Nachbarschaft einer Kaserne?
Ein Handy, das bei der Aktion Anfang Mai beschlagnahmt wurde, hat die US-Ermittler nun auf eine heiße Spur geführt: Von ihm aus wurden wiederholt Gespräche mit Mitgliedern der Terrororganisation Harakat ul Mudschahidin geführt, berichtete die New York Times unter Berufung auf US-Vertreter. Diese Gruppe wird von den USA als Terrororganisation eingestuft. Sie unterhält der Zeitung zufolge seit Jahren geheime Kontakte zum einflussreichen pakistanischen Geheimdienst ISI und ist auch mit al-Qaida eng verbunden.
Der Kontakt zu der Gruppe könnte laut NYT auch die Antwort auf die Frage sein, warum Osama bin Laden sich ausgerechnet in der Garnisonsstadt Abbottabad niedergelassen hat. Harakat ist Experten zufolge in der Gegend rund um Abbottabad stark verwurzelt, ihre Mitglieder - zumeist Pakistani - können sich im Gegensatz zu afghanischen oder saudischen Al-Qaida-Mitgliedern unauffällig im Land bewegen.
Noch ist das Handy jedoch nichts als eine mögliche Spur. Ein US-Politiker sagte der New York Times, es handle sich nicht um einen "schlagenden Beweis" für Verbindungen Bin Ladens zum ISI. Es sei nicht festzustellen, ob der Terrorchef selbst mit den Harakat-Leuten gesprochen oder von den Telefonaten gewusst hatte.
Das Handy gehörte offenbar einem Boten des Al-Qaida-Chefs, der am 2. Mai ebenfalls ums Leben gekommen war. "Es ist ein ernsthafter Anhaltspunkt", sagte ein weiterer US-Beamter der New York Times. "Wir ermitteln weiter in diese Richtung."
Sollte sich herausstellen, dass Osama bin Laden tatsächlich indirekten Kontakt zum pakistanischen Geheimdienst hatte, würde das die Beziehungen zwischen Pakistan und den USA extrem belasten. Schon die Tötung Bin Ladens hatte das Verhältnis der beiden Verbündeten empfindlich gestört.
Pakistan empörte sich über den Militäreinsatz der USA auf seinem Boden, von dem die USA ihren Bündnispartner nicht in Kenntnis gesetzt hatten. Und in den Vereinigten Staaten, wo man seit längerem an der uneingeschränkten Solidarität Pakistans zweifelt, fragte man sich, ob das Land den Terrorchef möglicherweise bei seiner fast zehn Jahre dauernden Flucht unterstützt hatte.