Aktion gegen Journalisten:Sachsens Polizei - immer wieder auffällig

Lesezeit: 3 Min.

Polizeieinsatz in Bautzen 2016 - nach Auseinandersetzungen zwischen Rechten und Flüchtlingen nannte der Revierleiter beteiligte Rechtsextreme "eventbetonte Jugendliche". (Foto: dpa)

Der sächsischen Polizei wird immer wieder vorgeworfen, sie messe mit zweierlei Maß: Harsch gegenüber linken Aktivisten und Flüchtlingen, lasch gegenüber Pegida. Was ist dran?

Von Antonie Rietzschel, Leipzig

Es sind harte Vorwürfe, denen die Polizei in Sachsen derzeit ausgesetzt ist: Sie lasse sich von Pegida instrumentalisieren, sagte der innenpolitische Sprecher der Grünen, Valentin Lippmann. Der innenpolitische Sprecher der Linken, Enrico Stange, sprach gar von einer "zweifelhaften Haltung mancher Polizeibediensteter zum demokratischen Rechtsstaat".

Auslöser für die Kritik ist das Vorgehen von Beamten am Rande der Proteste gegen den Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel in Dresden. Ein Fernsehteam des ZDF hatte Teilnehmer der Demonstration gefilmt. Einer von ihnen beschwerte sich über die Arbeit des Kameramannes und bedrängte ihn. Die Polizei schritt ein, hielt das Fernsehteam 45 Minuten fest. So berichtet es der freie Journalist Arndt Ginzel, der die Dreharbeiten für das Magazin Frontal 21 begleitet hatte und einen Videoausschnitt zu dem Vorfall veröffentlichte (mehr dazu hier).

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Die Polizisten hätten Ginzel weder den Grund für die polizeiliche Maßnahme noch ihre Namen genannt. Die Polizei Sachsen weist die Vorwürfe zurück, wonach die Reporter in ihrer Arbeit behindert wurden. Ein Demonstrant sowie einer der Journalisten hätten Anzeige erstattet. Deswegen sei eine Identitätsfeststellung unumgänglich gewesen, heißt es in einer Mitteilung. Die Schuld für die Dauer des Prozederes schiebt der Dresdner Revierleiter, Horst Kretzschmar, den Journalisten zu: Die hätten durch ihr Verhalten wenig dazu beigetragen, dass die Maßnahmen der Polizei schneller abgeschlossen werden konnten.

Lange Liste von Vorwürfen

In der Vergangenheit gab es wiederholt Vorwürfe, die sächsische Polizei pflege einen rechten Korpsgeist, messe mit zweierlei Maß: Harsch gegenüber linken Aktivisten und Flüchtlingen, lasch gegenüber Pegida. Eine Übersicht:

  • Im Mai 2016 wurde bekannt, dass mindestens ein Leipziger Polizist intensive Kontakte zur rechtsextremen und islamfeindlichen Szene pflegte.
  • In Clausnitz versuchen im Februar 2016 Beamte eine Gruppe Flüchtlinge aus dem Bus in eine Asylunterkunft zu bringen. Draußen steht eine pöbelnde Menschenmenge. Als sich ein junger Asylbewerber weigert auszusteigen, nimmt ihn ein Beamter in den Polizeigriff. Das Video von dem Vorgang sorgt in ganz Deutschland und darüber hinaus für Empörung.
  • In Bautzen kommt es Mitte September 2016 zu heftigen Ausschreitungen zwischen einer Gruppe von 80 Rechten und 30 jungen Flüchtlingen. Die Rechtsextremen, die sich an den gewaltsamen Protesten beteiligen, nennt der Polizeirevierleiter "eventbetonte Jugendliche". Damit handelt er sich die Kritik ein, das Problem nicht ernst genug zu nehmen.
  • Viele Dresdner verbinden mit den Feierlichkeiten rund um den Tag der deutschen Einheit 2016 schlechte Erinnerungen: Ein Polizist wünscht Pegida-Demonstranten einen "erfolgreichen Tag". Wie sich später herausstellt, stammt der Beamte nicht aus Sachsen. Allerdings bildet sein Auftritt den Auftakt für eine Reihe fraglicher Einsätze: Störaktionen der islamfeindlichen Bewegung werden nicht unterbunden. Das Goebbels-Zitat auf einem Plakat übersehen die Beamten. Linke Aktivisten dürfen dagegen vielerorts gar nicht demonstrieren. Die Polizei drängt AfD- Gegner ab, kesselt Demonstranten sogar ein.
  • Im Dezember 2017 führt die neueste Anschaffung der sächsischen Polizei zu einer heftigen Diskussion: Auf den Sitzen des Panzers "Survivor R" ist das Logo des Spezialeinsatzkommandos eingestickt und erinnert stark an die Symbolik des Nationalsozialismus. Das Innenministerium muss seine Darstellung, das Fahrzeug sei so ausgeliefert worden, korrigieren. Richtig ist: Das Landeskriminalamt hatte das Logo vorgelegt.

Kritiker vermuten hinter der Haltung der Polizei politische Motive. Oppositionspolitiker, wie der innenpolitische Sprecher der Linken, weisen aber auch darauf hin, dass die politische Bildung der Beamten - neben der Polizeiarbeit - eine größere Rolle spielen müsse.

Valentin Lipmann von den Grünen hatte in der Vergangenheit spezielle Fortbildungsmaßnahmen im Umgang mit Medienvertretern thematisiert. Dass es die bereits gibt, geht aus der Antwort der Landesregierung auf eine kleine Anfrage der Grünen hervor. In diversen Workshops und Seminaren wird über die journalistische Arbeitsweise - aber auch datenschutzrechtliche Regelungen informiert. Die Beamten sollten also wissen, dass Journalisten bei Demonstrationen kein Einverständnis der Teilnehmer brauchen, wenn sie Aufnahmen machen.

Und doch kommt es immer wieder zu Zwischenfällen, die dem aktuellen Vorfall ähneln. Alexander Schneider, Justizreporter der Sächsischen Zeitung, thematisiert dies in einem aktuellen Facebook-Post. Journalisten, die in Dresden Mitte Juni über eine fremdenfeindliche Demonstration berichteten, mussten sich demnach gegenüber der Polizei ausweisen, weil sie Fotos gemacht hatten.

Innenausschuss beschäftigt sich mit Vorfall

Schneider berichtet auch von einer Überprüfung von Gegendemonstranten, wenige Tage später am Rande einer Pegida-Demonstration. Den Einsatz nennt er "völlig überzogen". Sein Fazit: "Aus Unerfahrenheit oder aufgrund schlechter Vorbereitung spielt die Polizei einer Klientel in die Hände, der sowieso jeder Anlass recht ist, um gegen Gesellschaft und politisches System zu agitieren."

Es scheint also Gesprächsbedarf über den Umgang mit Medien zu geben. Deswegen fordert die Linke in Sachsen eine unabhängige Expertenkommission, die den jüngsten Vorfall mit dem ZDF-Fernsehteam untersuchen soll. Die Partei reagiert damit auf einen umstrittenen Tweet des sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU). Der hatte allein das Verhalten der Polizei als "seriös" bezeichnet.

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Später sagte er im Gespräch mit der Nachrichteagentur dpa, es sei seine Aufgabe, sich vor die Beamten zu stellen: "Und das mache ich". Die Linke nennt das Verhalten von Kretschmer in einer Pressemitteilung "hochgradig unprofessionell". Am Donnerstag wird sich der Innenausschuss mit den Vorwürfen gegen die Polizei beschäftigen.

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