USA:Der Minister, der kein Star mehr ist

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US-Außenminister Antony Blinken bei der Befragung durch den außenpolitischen Ausschuss des Repräsentantenhauses in Washington (auf dem Monitor). (Foto: J. Scott Applewhite/AP)

Antony Blinken fuhr in den Urlaub, als Kabul fiel. Nicht nur das wird ihm im Zusammenhang mit dem Rückzug aus Afghanistan nun vorgeworfen. Die Republikaner fordern den Rücktritt des Außenministers.

Von Fabian Fellmann, Washington

Amerika sei zurück, versprach US-Präsident Joe Biden nach seiner Wahl. Mit der Nomination seines Außenministers Antony Blinken zeigte er der Welt: Hier kommt ein Transatlantiker, ein Profi aus einer Diplomaten-Familie, der außenpolitische Anti-Trump - ein "Superstar", wie Biden ihn pries. Dazu passte, dass der Hobbygitarrist zwei eigene Rocksongs veröffentlicht hat.

Der Bühnennebel hat sich ein knappes Jahr später verzogen. Von dem Superlativ war nichts mehr zu spüren, als der 59-Jährige am Montag und Dienstag vor den außenpolitischen Ausschüssen des Repräsentantenhauses Rede und Antwort stehen musste.

Der Minister versuchte, den chaotischen Abzug aus Afghanistan als "außerordentliche Leistung" zu rechtfertigen: "Wir haben eine der größten Luftbrücken der Geschichte erstellt und 124 000 Personen in Sicherheit gebracht."

"Wir haben einen Rückzugstermin geerbt, aber keinen Plan."

Wohlweislich vermied es Blinken, von einem Erfolg zu reden, obwohl er genau dieses Bild zeichnete: Eigentlich habe die Biden-Regierung alles richtig gemacht - was falsch lief, war die Schuld von Donald Trump. "Wir haben einen Rückzugstermin geerbt, aber keinen Plan", sagte Blinken. Trumps Regierung habe ab März 2020 keine Visa-Anträge afghanischer Helfer mehr bearbeitet, erwähnte er als Beispiel.

Ein Nebenschauplatz in den Anhörungen war das, was die Europäer umtreibt: Warum Biden und Blinken ihre Alliierten überrumpelten. Gerade von Blinken hatten die Europäer anderes erwartet. Er wuchs unter anderem in Frankreich auf - er lernte dort auch Gitarre zu spielen. Sein Vater, sein Stiefvater und sein Onkel waren als US-Diplomaten und bei den UN tätig. Blinken folgte der Familientradition und diente sich ins demokratische Establishment hoch, zunächst in Bill Clintons Sicherheitsrat. Im Auswärtigen Ausschuss des Senats lernte er Biden kennen, dem er als Sicherheitsberater diente. Unter Obama stieg er zum stellvertretenden Außenminister auf und dann zu Bidens Chefdiplomat.

Die Republikaner hauen in zwei Kerben

In dieser Funktion habe er vor dem Rückzug in stetem Kontakt mit den Nato-Partnern gestanden, versicherte Blinken im Parlament. Gemeinsam habe man den Rückzug vorbereitet - eine Sicht, die in Europa nicht geteilt, in den USA aber kaum infrage gestellt wird. Viel mehr interessieren sich die Abgeordneten dafür, den Abzug innenpolitisch auszuschlachten. Blinken solle zurücktreten, forderten einige Republikaner. Er habe sich den Taliban "bedingungslos ergeben", kritisierte der Texaner Michael McCaul. Die Angriffe werden weitergehen: Ende der Woche will die Lobbygruppe "Great America" einen neuen Werbespot schalten, in dem ein Afghanistan-Veteran Biden für seine "Kapitulation" anklagt.

Trump behauptet überdies, Biden hole mit der Evakuierung von Afghanen Gewalttäter in die USA. "Es gab keine Sicherheitsprüfung", sagte der frühere Präsident dem Sender Fox News, wider besseres Wissen. "Heißt das, dass Terroristen unter ihnen sind? Natürlich sind sie das."

Von den Demokraten erhielt Blinken Rückendeckung. Allerdings musste er sich auch von ihnen kritische Fragen gefallen lassen. Ilhan Omar etwa kritisierte, amerikanische Drohnenangriffe würden zu viele zivile Opfer fordern.

Es war nicht die erste unangenehme Befragung des Secretary of State durch die Abgeordneten. Antraben musste Blinken bereits, nachdem ihn chinesische Diplomaten beim ersten Treffen öffentlich vorgeführt hatten. Und als Kabul vor dem Fall stand, fuhr Blinken in die Hamptons, eine Urlaubsregion, die Synonym für abgehobenen demokratischen Ostküsten-Filz geworden ist.

Aller Kritik zum Trotz scheint Blinkens Sitz nicht zu wackeln -vorerst. Der Außenminister übernimmt jetzt die volle Verantwortung über das schwierige Dossier Afghanistan. Die Militärmission sei beendet, sagte Blinken, nun beginne die diplomatische Phase. Den Anfang dazu machte Blinken mit Dankesbesuchen in Doha und in Ramstein. Die Alliierten müssen ihm wohl künftig ganz genau zuhören. Im Kongress sagte er, die Biden-Regierung habe die Sicht der Alliierten "in unsere Überlegungen einbezogen". Von einer gemeinsamen Entscheidung, wie sie den Alliierten vorschwebte, war nie die Rede.

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