Schwere Tage für die Kanzlerin: Nach der Wahlniederlage ihrer Partei in Mecklenburg-Vorpommern muss Angela Merkel nun bei der Abstimmung für die umstrittene Ausweitung des Euro-Rettungsschirms EFSF um eine eigene Mehrheit im Bundestag bangen. Bei Voten in den Koalitionsfraktionen gab es am Montagabend keine Mehrheit für die Pläne der Regierung.
Zwar stimmten beide Regierungsfraktionen am Montagabend in Berlin für die Einbringung des Gesetzentwurfs zur EFSF-Reform, allerdings gab es in der Union nach Fraktionsangaben zwölf Neinstimmen und sieben Enthaltungen. Bei den Liberalen stimmten zwei Abgeordnete dagegen, vier enthielten sich.
Damit ist derzeit eine eigene Mehrheit von Schwarz-Gelb bei der Abstimmung des Bundestages Ende September fraglich - die Regierung hat im Bundestag eine Mehrheit von 19 Stimmen. Ein Scheitern des Gesetzes im Parlament gilt jedoch als unwahrscheinlich, weil die Oppositionsparteien SPD und Grüne bereits ihre Zustimmung signalisiert haben.
Die Kanzlerin zeigte sich gleichwohl zuversichtlich, dass ihre Koalition die Reform aus eigener Kraft durchsetzen könne. Auch Peter Altmaier, der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, gab sich optimistisch: "Ich war immer überzeugt, dass die Koalition in großer Geschlossenheit abstimmen und eine eigene Mehrheit haben wird", sagte er der Leipziger Volkszeitung.
Kritik an Merkels Führungsstärke wies Altmaier zurück: "Die Kanzlerin führt in diesen Wochen sehr entschlossen bei der Diskussion über die Schuldenkrise in Europa." Das werde sich sicher schon bei den nächsten Wahlen positiv für die Union auswirken.
Als "Zerreißprobe für Schwarz-Gelb" sieht SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles die Abstimmung zur Ausweitung des Euro-Rettungsschirms. Obwohl die SPD der Kanzlerin ihre Unterstützung angeboten habe, gebe man ihr "keinen Blankoscheck", sagte Nahles der Passauer Neuen Presse. Nötig sei eine Finanztransaktionssteuer sowie ein Mix aus Investitionen und Sparbemühungen in den Krisenländern.
Bundestagsvizepräsident Hermann Otto Solms plädierte derweil für einen Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone und stellte sich damit offen gegen Merkel. Der FDP-Politiker begründete seine Forderung damit, dass Griechenland zum wiederholten Mal die Bedingungen für die finanziellen Hilfen nicht eingehalten habe. "Das kann auf Dauer nicht zugelassen werden", sagte Solms der Südwest-Presse.
Merkel hatte sich am Montagabend mit EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy in Berlin getroffen. Regierungskreisen zufolge erzielten die Politiker Einigkeit darüber, dass die Schuldenstaaten der Eurozone "ihre Verpflichtungen zu Strukturreformen und Haushaltskonsoliderungsmaßnahmen zügig umsetzen" müssten.
Mehr Instrumente für strauchelnde Länder
Das vom Kabinett bereits gebilligte Gesetz regelt die deutsche Beteiligung am reformierten EFSF. So soll der deutsche Anteil an den im Notfall übernommenen Kreditbürgschaften für angeschlagene Euro-Partner von bislang 123 Milliarden Euro auf 211 Milliarden steigen. Die Euro-Länder insgesamt erhöhen ihre Garantien für Kredite von bislang 440 Milliarden Euro auf 780 Milliarden, damit der EFSF jederzeit die vereinbarten 440 Milliarden Euro zur Verfügung hat. Außerdem wird der Instrumentenkasten des EFSF zur Hilfe für strauchelnde Länder erweitert.
Der Bundestag will am 29. September über den erweiterten Euro-Rettungsschirm abschließend befinden, der Bundesrat voraussichtlich in einer Sondersitzung am 30. September. Die erste Lesung im Bundestag ist für Donnerstag geplant.
Am Mittwoch wird außerdem das Bundesverfassungsgericht über die bisherigen Griechenland- und Euro-Hilfen entscheiden. Es wird damit gerechnet, dass die Karlsruher Richter weitere Vorgaben zur Parlamentsbeteiligung machen. Auch Union und FDP wollen zusätzliche Beteiligungsrechte durchsetzen.