Ausländerrecht:Abschiebungen künftig immer ohne Ankündigung

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Abschiebung ohne konkreten Beweis? Dies könnte vermeintlichen Angehörigen sogenannter Clans nun drohen. (Foto: Michael Kappeler/dpa)

Auch Ausländer, die schon jahrelang geduldet sind, sollen ohne Vorwarnung abgeschoben werden können. Das plant das Bundesinnenministerium. Für Betroffene hätte das harte Folgen.

Von Jan Bielicki

Es ist nur ein Satz in dem umfangreichen Gesetzesvorschlag, mit dem Bundesinnenministerin Nancy Faeser Abschiebungen erleichtern will. Doch er könnte viele Ausländer, die schon länger - wenn auch nur geduldet - im Land leben, überraschend hart treffen. Künftig nämlich sollen die Behörden auch diese Menschen abschieben können, ohne das vorher anzukündigen.

Zwar laufen schon jetzt die allermeisten Abschiebungen plötzlich und ohne Vorwarnung ab. Bei Menschen, die bereits länger als ein Jahr trotz Ausreisepflicht hier geduldet sind, müssen die Ausländerämter eine Abschiebung bisher vier Wochen vorher ankündigen, falls sie die Duldung widerrufen.

Eine Ankündigung sei "entbehrlich"

Das sollen sie künftig nicht mehr tun müssen, die Pflicht dazu will das Innenministerium ersatzlos aus dem Aufenthaltsgesetz streichen: "In § 60a Absatz 5 werden die Sätze 4 und 5 aufgehoben", heißt es dazu lapidar im Anfang August veröffentlichten Diskussionsentwurf des Ministeriums "zur Verbesserung der Rückführung". Die knappe Begründung dazu: Eine solche Ankündigung sei "entbehrlich und führt nur zur zusätzlichen Belastung der Ausländerbehörden". Davon, dass solche Ankündigungen Abschiebungen bisher erschwert hätten, ist darin nicht die Rede.

Für die Betroffenen allerdings ist es durchaus sinnvoll, die unangenehme Nachricht, bald abgeschoben zu werden, rechtzeitig vorher zu erhalten. So können sie sich etwa auf die Ausreise vorbereiten, den Haushalt auflösen, sich von Freunden verabschieden. Vor allem können sie sich noch einmal rechtlich beraten lassen - etwa darüber, ob es nicht besser wäre, freiwillig auszureisen statt sich abschieben zu lassen, mit allen Folgen wie einer oft langjährigen Wiedereinreisesperre.

Das aber soll nach den Plänen des Innenministeriums nun auch für Menschen nicht mehr möglich sein, die sich im bisherigen Verfahren korrekt verhalten haben. Wer nur kurz im Land ist oder seine Abschiebung durch Täuschung oder vorsätzlich falsche Angaben verhindert oder verzögert hat, darf schon nach derzeitiger Rechtslage ohne Vorwarnung außer Landes gebracht werden.

Faeser wird Skrupellosigkeit vorgeworfen

Viele theoretisch ausreisepflichtige Menschen sind allerdings deshalb hier geduldet, weil eine Abschiebung etwa wegen der Lage im Herkunftsland oder aus humanitären Gründen nicht möglich ist - und das oft über Jahre. Von den knapp 250 000 hier nur geduldeten Menschen, die Ende 2022 im Ausländerzentralregister registriert waren, lebten mehr als 180 000 bereits drei oder mehr Jahre in Deutschland.

Scharfe Kritik an der geplanten Streichung kommt aus der Opposition. Faeser setze alles daran, "ihren Hardliner-Vorgänger Horst Seehofer bei der Ermöglichung möglichst skrupelloser Abschiebungen noch zu übertreffen", sagte Clara Bünger, die flüchtlingspolitische Sprecherin der Bundestags-Linken der Süddeutschen Zeitung. Die Pläne der Ministerin seien "völlig unverhältnismäßig und inakzeptabel".

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