Ob zum Geburtstag, an Ostern, Weihnachten oder an Neujahr - manchmal erreichen einen besonders viele Nachrichten. Was tun, wenn man es verpasst hat, schnell zu antworten? Jonathan Lösel weiß Rat. Er ist Vorsitzender des Deutschen Knigge-Rats und Experte im Umgang mit digitalen Medien. Auf die Interviewanfrage per Mail antwortet er schon nach ein paar Stunden. Für ein Telefonat hat Lösel dann aber erst ein paar Tage später Zeit.
SZ: Herr Lösel, wie viele unbeantwortete Nachrichten haben Sie auf ihrem Handy?
Jonathan Lösel: Hmm, ich schaue mal kurz ... also, wenn ich alles zusammenzähle, Whatsapp, Threema, Signal, Telegram, Linkedin, Xing, Instagram, dann sind es so um die 60 Nachrichten.
60!
Oh, E-Mails habe ich noch gar nicht mitgezählt.
Ganz schön viel für jemanden, der Experte für guten Umgang ist.
Ich muss dazu sagen: Nicht alle offenen Chats sind welche, in denen ich noch nicht geantwortet habe. Ich markiere mir auch Chats mit Menschen, denen ich gerne einfach mal wieder schreiben möchte - als Erinnerung. Ohne die sind es vielleicht zehn Nachrichten, die ich noch nicht beantwortet habe.
Bis wann kann man auf eine Whatsapp-Nachricht antworten? Etwa, wenn man unbeantwortete Chats mit Weihnachtsgrüßen oder Neujahrswünschen hat.
Auf Weihnachtswünsche antworten, dafür ist es jetzt, Mitte Januar, echt zu spät. Neujahrswünsche sind noch okay. Ein Richtwert lautet: Bis in die zweite Januarwoche kann man sich noch ein "Frohes neues Jahr" wünschen.
Wenn mir jemand "Frohe Weihnachten" gewünscht hat, antworte ich jetzt also gar nicht mehr?
Doch, antworten bitte schon. Aber ich würde Weihnachten nicht mehr zu einem großen Thema machen. Ich würde mich bedanken, dann der Person eventuell noch ein "Frohes Neues" wünschen und dann fragen, wie es ihr oder ihm geht. Ganz entspannt.
Auf vielen Plattformen gibt es die Möglichkeit, auf eine Nachricht mit einem Emoji zu reagieren. Wie finden Sie das eigentlich?
Das ist nützlich! Zum Geburtstag kriege ich viele Nachrichten. Ich schaue dann, dass ich zeitnah, spätestens am Tag danach, erst mal Herzchen und "Daumen hoch" verteile. Und manchen schreibe ich dann noch mal im Nachgang. Die Reaktion mit Emoji hilft auch in Whatsapp-Gruppen: Wenn jemand fragt: "Wie sieht's denn aus, wollen wir uns heute Abend treffen?", kann man auch mit "Daumen hoch" antworten, wie bei einer Umfrage.
Das heißt, als Grundregel: immer auf Nachrichten reagieren?
Genau, und was bei einer späten Antwort wichtig ist: ehrlich sein. Sich keine Notlügen ausdenken à la "Das Smartphone war kaputt". Es sollte im Chat kein Ungleichgewicht entstehen. Wenn ich nicht reagiere, bleibt die Beziehungswaage unausgeglichen. Dann fragt sich der andere vielleicht: "Huch, wieso antwortet er mir nicht? Ist er mir böse, habe ich was falsch gemacht oder ist er bloß beschäftigt?"
Wie entscheiden Sie, wem Sie zuerst antworten?
Meiner Familie antworte ich immer zuerst. Und dann geht's nach Dringlichkeit: Wenn ein Kunde mir schreibt, antworte ich schnell. Im Business-Bereich sollte man auf E-Mails in 24 bis 48 Stunden antworten, spätestens. In sozialen Medien ist die Erwartungsmeldung: Man meldet sich bis zum Ende des Tages.
Und wenn ich selbst lange auf eine Antwort warte - wie gehe ich vor?
Man kann einfach mal nachfragen, nach ein, zwei Tagen. "Ach, wie sieht's denn aus, ist meine Nachricht angekommen?" Und falls immer noch nichts zurückkommt, noch mal, ein paar Tage später. Ich würde es dreimal versuchen, in unterschiedlichen Abständen. Und wenn dann nichts kommt, noch mal in einem Monat.
Nervt man damit nicht?
Finde ich nicht. Es passiert heute in der Flut an Nachrichten schnell, dass mal etwas durchrutscht, aus Versehen, durch einen Klick. Als derjenige, der noch nicht geantwortet hat, sollte ich das aber dann schnellstmöglich tun.
Apropos: Von Ihren zehn offenen Nachrichten - wie alt ist die älteste Nachricht davon?
Die ist noch von November. Da hat mich eine Kollegin, die ich schon länger nicht mehr gesehen habe, einfach mal gefragt: "Und, wie geht's dir so? Was ist der Stand?" Ich antworte ihr jetzt mal die Tage.