Weihnachtsbeleuchtung in Venezuela:Funkelnde Misere

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Lichter in der Dunkelheit: Die einen empfinden die festliche Weihnachtsbeleuchtung in Caracas als Weihnachtswunder - andere als Unverschämtheit. (Foto: Manaure Quintero/Reuters)
  • In der Hauptstadt Venezuelas, Caracas sorgen tausende Lichter für Weihnachtsstimmung. Lämpchen in den unterschiedlichsten Farben und Formen, künstliche Sterne und Schneeflocken.
  • Heftige Stromausfälle tauchen Venezuela immer wieder in Dunkelheit. Missmanagement, fehlende Investitionen und weit verbreitete Korruption haben das venezolanische Netz geschwächt.
  • Das Land war einmal eines der reichsten Länder Südamerikas - nun ist es eines der ärmsten.

Von Christoph Gurk, Buenos Aires

Wenn es Nacht wird über Caracas, beginnt der Guaire zu leuchten. Der Fluss durchströmt einmal von West nach Ost die venezolanische Hauptstadt. Dabei nimmt er einen Großteil ihrer Abwässer mit, vom einst fröhlich plätschernden Flüsschen ist darum heute nichts mehr zu sehen. Stattdessen: Eine trübe Brühe in einem Betonbett. Nun aber strahlt der Guaire wieder, zumindest in der Dunkelheit. Was aber nicht etwa mit dem Müll und dem giftigen Schlamm zusammenhängt, der ihn durchschwimmt, sondern - man kann das ohne weiteres so sagen - mit dem Geist der heiligen Weihnacht.

Denn schon Ende November hat die Stadtverwaltung von Caracas tausende Lichter über dem Fluss anbringen lassen. Kleine Lämpchen, in den unterschiedlichsten Farben und Formen. Künstliche Sterne und Schneeflocken spiegeln sich nun im Wasser, sobald die Sonne untergeht. Mit dem Nachthimmel glitzern sie um die Wette, gleichzeitig aber auch noch mit all den anderen weihnachtlichen Lichtinstallationen, die es jetzt in der Stadt gibt.

Auf einem Hügel über Caracas leuchtet ein riesiges Kreuz, die Palmen der Parks sind mit Lichterketten umwunden und im Zentrum gibt es hell erleuchtete Krippenspiele. Ähnlich festlich sieht es auch in anderen Städten Venezuelas aus. Ein Weihnachtswunder, sagen die einen, eine riesen Unverschämtheit, glauben die anderen.

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Schließlich ist es noch nicht einmal ein Jahr her, dass heftige Stromausfälle das südamerikanische Land für Tage in Dunkelheit getaucht haben. Die Regierung gab damals den USA die Schuld an der Misere. Wahrscheinlicher ist aber, dass Missmanagement, fehlende Investitionen und weit verbreitete Korruption das venezolanische Netz geschwächt haben. Und noch immer werden viele Viertel von Caracas und anderen Städten Venezuelas von regelmäßigen Stromausfällen heimgesucht.

Es fehlt an allem: Benzin, Medikamente, Brot

Umso ärgerlicher finden es viele, dass die sozialistische Regierung von Nicolás Maduro nun Geld in so etwas Unnützes wie Weihnachtsbeleuchtung investiert. Venezolanische Nutzer machen sich in sozialen Netzwerken über das Lichterfest lustig. Die wohl best-erleuchtete Weihnacht, die Caracas je erlebt habe, finde ausgerechnet im düstersten Jahr statt, das Venezuela je gesehen hat, schreibt zum Beispiel ein Nutzer auf Twitter.

Tatsächlich ist die Situation in dem Land dramatisch: Die Wirtschaft liegt am Boden, die Inflation ist die mit Abstand höchste weltweit. Nicht nur Strom fehlt immer wieder, sondern auch Medikamente oder Benzin, Klopapier und Kondome, Nudeln, Reis und Brot. Kinder sterben in Venezuela an Hunger, dabei war das Land mal eines der reichsten Lateinamerikas.

Wer kann, geht fort. Bald soll die Zahl der Flüchtlinge die Fünf-Millionen-Marke überschritten haben, es ist die größte Fluchtbewegung, die es auf dem Kontinent je gab. Wer es nach Kolumbien, Brasilien, Argentinien, Chile, Spanien oder die USA geschafft hat, schickt Geld nach Hause. Immer stärker lebt der venezolanische Staat auch von diesen Auslandsüberweisungen.

Just vor Weihnachten wurden darum die Preiskontrollen und die Importbeschränkungen aufgehoben. Die Regale sollen sich füllen und die Menschen konsumieren, vielleicht auch deshalb die Festtagsbeleuchtung: Im Licht der blinkenden Lämpchen sieht der Geldbeutel vielleicht nicht mehr ganz so leer aus.

Wie viel genau die Weihnachtsbeleuchtung gekostet hat, darüber schweigt die Regierung. Viel Strom würde ohnehin nicht verbraucht werden, sagt Carolina Cestari von der Stadtverwaltung von Caracas, schließlich wären Energiesparlampen verwendet worden, dankenswerterweise geliefert vom politischen Verbündeten China. Die größte Investition, die gemacht worden sei, sagt Cestari, wäre ohnehin die in die Liebe.

Und so glimmt und blinkt es noch bis Weihnachten in Venezuela und im trüben Wasser der Guaire spiegeln sich die bunten Lämpchen. So schön das aussieht, kann es lebensgefährlich sein, das Wasser zu trinken. Und dennoch stiegen im März Menschen zum Fluss hinab, um Kanister zu füllen. Sie hatten keine andere Wahl, die Pumpen in ihren Wohnungen und Vierteln gingen nicht. Der Strom war ausgefallen.

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