Am Ende, als noch mal der ganze Horror dieses Mordes geschildert ist, da meldet sich die Mutter der Toten. Als Nebenklägerin sitzt sie den beiden Angeklagten vor dem Stralsunder Landgericht gegenüber. Sie will den mutmaßlichen Mördern ihrer Tochter Maria K. ins Gesicht sehen. Denjenigen, die nur um des Tötens Willen eine junge Frau und ihr ungeborenes Kind getötet hatten.
"Was die beiden gemacht haben, ist abartig", hebt sie an. "Meine Tochter umzubringen, die ein Baby erwartet hat. Ich vergebe euch nie, ich werde euch immer hassen. Keiner kann mir meine Tochter zurückgeben und mein Enkelkind." Sie hoffe auf eine gerechte Strafe, "wenn es die überhaupt gibt." Wenn sie könnte, "würde ich aufstehen und es machen." Es machen - verzweifelte Worte. Ansonsten ist es totenstill im Saal, ehe die Vorsitzende Richterin die Verhandlung schließt. Die Mutter kannte die zwei jungen Männer, 19 und 21 Jahre alt, die ihre 18 Jahre alte, im dritten Monat schwangere Tochter Maria K. mit 35 Messerstichen und Messerschnitten ermordet haben sollen. Beide waren Freunde von Maria K.
Warum Maria K.? "Sie war allein"
gewesen. Zinnowitz, Insel Usedom, 18. März 2019. An jenem Tag sollen sich Nicolas K. und Niko G. verabredet haben, Maria K. zu töten. Aus Mordlust, wie es in der Anklage heißt. "Wir wollten sehen, wie einer stirbt", sagte einer der beiden Angeklagten während des Prozesses, die Anwältin der Nebenklage erinnert in ihrem Plädoyer daran. Warum Maria K.? "Sie war allein", antwortet die Anwältin sich selbst. Maria K. war ein einfaches Opfer. Um die Person ging es sowieso nicht, es ging ums Töten.
Auch erfahrene Juristen stehen fassungslos vor diesem menschlichen Abgrund. Wie kann es sein, dass zwei Männer vereinbaren, eine schwangere Frau aus ihrem engsten Bekanntenkreis in deren eigener Wohnung bestialisch zu erstechen, weil sie wissen möchten, wie sich das anfühlt, das Töten ("nach Nichts", soll Nicolas K. gesagt haben)? Und wie soll ein Gericht in einem solchen Fall urteilen?
Nicolas K. und Niko G. schlurfen zur Anklagebank, die Ketten an ihren Fußgelenken klimpern auf dem hellen Parkett. Ihre Gesichter verbergen die zwei nicht mehr. Der 19-jährige K. hat seinen Kopf an den Seiten kahl geschoren und sich oben einen Zopf gebunden, sein Hals ist tätowiert, neben ein Kreuz auf der Wange wolle er sich den Namen Maria stechen lassen. "Es handelt sich offenbar um eine Trophäe", sagt die Anwältin der Mutter. Der 21-jährige G. hat die Haare irokesenhaft geschnitten, ein schmaler Mann im weißen Hemd. Als Nicolas K. im August sein emotionsarmes Geständnis machte, musste sich G. vor dem Gericht in einen Eimer übergeben.
"Diese Tat ist unverzeihlich"
Zum Schluss berichten Staatsanwaltschaft und Nebenklage ein weiteres Mal, was sich vor einem knappen halben Jahr zugetragen haben soll. Demnach wollten Nicolas K. und Niko G. "wissen, wie es ist, einen Menschen zu töten". Sie hatten Morde im Fernsehen gesehen. Sie dachten, es könne nicht schwer sein. Die Wahl fiel auf Maria K., es hätte auch ein anderer sein können. Alkoholisiert packten sie ein Messer mit 20 Zentimeter langer Klinge ein und Wechselklamotten oder zogen sich um, "weil klar war, dass Blut fließen würde", wie der Staatsanwalt sagt. Sie bestellten Maria K., die bei ihrer Mutter gewesen war, in Marias Wohnung.
Sie baten sie, Gläser zu holen. Dann, angeblich auf das Codewort "Bier", stach Nicolas K. der ahnungslosen Maria K. von hinten in den Hals, sie fiel zu Boden. Es folgten Stiche in den Kopf, in ein Auge, den Körper. Niko G. soll Maria K. laut Nicolas K. und laut Staatsanwaltschaft an den Beinen festgehalten haben, was Niko G. bestreitet. "Grausam, gefühllos, unbarmherzig", sagt die Nebenklage. Dass auch das Baby im Bauch sterben würde, sei beiden bewusst gewesen, sie seien sogar bei Maria Ks. Schwangerschaftstest dabei gewesen. Anschließend warfen sie Tatwaffe und Kleidung von der Seebrücke an der Promenade des Seebads Zinnowitz in die Ostsee, die entstellte Leiche der Maria K. wurde am darauf folgenden Tag entdeckt.
Die Staatsanwaltschaft fordert wegen Mordes, Heimtücke und Mordlust lebenslange Haft für Niko G. mit dem Zusatz der besonderen Schwere der Schuld, was eine vorzeitige Entlassung wohl verhindern würde. Sein Verteidiger plädiert für "eine zeitige Freiheitsstrafe". Niko G. liest als Schlusswort eine Entschuldigung vom Blatt ab: "Diese Tat ist unverzeihlich."
Niko G. habe weiterhin Mordfantasien
Nicolas K., kein Schulabschluss, kein Job, kaum soziale Bindungen, zeigt keine Reue vor Gericht, manchmal lächelt er oder droht. Er sagt am Ende nur noch, dass er nichts sagen wolle, "was ich nicht ernst meine, so wie Herr G." Für ihn gilt wohl das Jugendstrafrecht, der Staatsanwalt verlangt zehn Jahre Jugendstrafe, die Nebenklägerin 15 Jahre. Beide und die Verteidigung sind für seine Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik, dort ist er bereits. Er erzählt, er schreibe "eigene Songs".
Nicolas K. wird von Sachverständigen einer besonders gefährlichen Risikogruppe zugeordnet. 82 Prozent dieser Täter, so ein Experte, würden auch nach zehn Jahren noch rückfällig. Gutachter attestieren ihm fehlende Empathie und schwere Persönlichkeitsstörungen. Er habe weiterhin Mordfantasien. Das Landgericht Stralsund will an diesem Freitag sein Urteil verkünden.