Extremwetter:So hart trifft der "Bombenzyklon" die USA

Lesezeit: 3 Min.

Eine schneeverwehte Straße im US-Bundesstaat Illinois. (Foto: Mykal McEldowney/Imago/USA TODAY Network)

Tief "Elliott" verursacht eine extreme Wetterlage. Etwa 1,7 Millionen US-Haushalte haben zeitweise keinen Strom. Die Temperaturen sinken bis auf minus 40 Grad Celsius.

Weite Teile der USA erleben das kälteste Weihnachten seit Jahrzehnten. Wintersturm Elliott hat heftige Schneefälle und Eiswinde mit sich gebracht. In New York zeigte das Thermometer am Samstagmorgen (Ortszeit) minus 14 Grad, in Chicago waren es minus 17. Im Bundesstaat Montana sind am frühen Samstagmorgen sogar minus 40 Grad Celsius gemessen worden. Bereits wenige Minuten in der Kälte könnten zu Erfrierungen führen, hieß es vom US-Wetterdienst.

Mehrere Menschen sind bisher infolge des Unwetters gestorben, meist bei wetterbedingten Verkehrsunfällen, wie der TV-Sender NBC berichtet. Eine Massenkarambolage mit mehr als 50 Fahrzeugen gab es auf einer Fernstraße im Bundesstaat Ohio. Vier Menschen starben, viele weitere wurden verletzt.

Im Erie County im Bundesstaat New York waren die Rettungsdienste zeitweise überlastet. Marc Poloncarz, der Verantwortliche aus dem Bezirk, rief auf Twitter dazu auf, nur in den "kritischsten, lebensbedrohlichsten Fällen" den Notruf zu wählen, um die Leitungen freizuhalten. Er forderte die Einwohner dazu auf, trotz Strom- und Heizungsausfällen in ihren Häusern zu bleiben. Der Transport in Notunterkünfte sei derzeit nahezu unmöglich.

Wie CNN berichtet, sind in Erie County in der Nacht von Freitag auf Samstag etwa 500 Autofahrer mit ihren Fahrzeugen im Schnee liegengeblieben. Auch am Samstagnachmittag US-amerikanischer Zeit waren die meisten von ihnen noch nicht befreit.

Mehr als 1,7 Millionen Menschen waren am Samstag zwischenzeitlich ohne Strom, am Samstagnachmittag lag die Zahl laut CNN noch bei 800 000. Die meisten Betroffenen leben in den östlichen Bundesstaaten. In den USA verlaufen zahlreiche Stromleitungen noch oberirdisch, nicht nur die Hochspannungstrassen, sondern auch Verbindungen in den meisten Siedlungen. Die Stromnetzinfrastruktur in den USA ist deutlich anfälliger als etwa in Deutschland. So rief ein großer Energieversorgern im Osten der USA die Kunden wegen Kapazitätsengpässen zum Stromsparen auf. Nur unbedingt nötige Haushaltsgeräte sollten eingeschaltet bleiben.

Bürgerinnen und Bürger in den USA sind, obwohl es häufig zu Wintereinbrüchen kommt, verglichen etwa mit Maßstäben, die in den Alpenländern gelten, deutlich schlechter auf Schnee und Eis vorbereitet. Viele Autofahrer verfügen zum Beispiel nicht über eine adäquate Bereifung. Auch Räum- und Streudienste funktionieren oft längst nicht so effizient wie in Europa üblich.

"Mutter Natur verlangt uns dieses Wochenende alles ab"

Tatsächlich jedoch ist die aktuelle Wetterlage selbst für amerikanische Verhältnisse extrem. US-Medien warnten vor einem sogenannten "Bombenzyklon" - ein Wetterphänomen, bei dem der Luftdruck innerhalb kurzer Zeit extrem abfällt und die Wucht des Sturms verstärkt.

In den Bundesstaaten Montana, South Dakota und Wyoming waren bereits am Vorweihnachtstag Temperaturen um minus 45 Grad Celsius gemessen worden. In Denver im US-Bundesstaat Colorado fielen die Temperaturen laut Meteorologen beim Durchzug der arktischen Kaltfront innerhalb von 24 Stunden um rund 40 Grad, auch die Stadt New York erlebte einen Temperatursturz von 23 Grad. "Mutter Natur verlangt uns dieses Wochenende alles ab, was sie zu bieten hat", sagte die Gouverneurin des Bundesstaates New York, Kathy Hochul.

In mehreren Städten, etwa in Philadelphia und Pittsburgh, dürften Minustemperaturen erreicht werden, die noch nie an einem 24. Dezember gemessen wurden. Die Kälte dringt auch in Gegenden vor, die davon normalerweise verschont bleiben, etwa in den Bundesstaat Florida.

Ein Schneeräumfahrzeug in Detroit. (Foto: Matthew Hatcher/Getty Images via AFP)

Besonders stark von dem Winterwetter betroffen ist jedoch die Region um die fünf Great Lakes, die großen Seen im Nordosten der USA. Im Laufe des Samstags hat sich das Sturmtief Elliott vom Norden und Mittleren Westen immer mehr nach Osten verlagert.

Rund um die Großstadt Buffalo im Norden des Bundesstaates New York sind von Freitag auf Samstag mehr als 60 Zentimeter Neuschnee gefallen. Am Samstag, so die Vorhersage der Meteorologen, sollen noch einmal 30 Zentimeter dazukommen. Starke Winde mit einer Geschwindigkeit von zum Teil mehr als 100 Kilometern in der Stunde führten zu Schneeverwehungen und einer extrem eingeschränkten Sicht, einer Lage, die Meteorologen in den USA auch als "Whiteout" bezeichnen.

Elliott brachte die Reisepläne Zehntausender Amerikaner durcheinander. Bereits am Freitag mussten fast 6000 Flüge gestrichen werden, 2600 weitere am Samstag. An den großen Flughäfen gab es chaotische Szenen. Auf einem Video, das der TV-Sender Weather Channel auf seiner Webseite veröffentlichte, war zu sehen, wie eine ganze Armada von Schneepflügen versuchte, das Rollfeld des Chicago O'Hare International Airport freizuschaufeln.

Mehr als 200 Millionen US-Amerikanerinnen und Amerikaner erhielten über ihre Smartphones Unwetterwarnungen. Der US-Wetterdienst rief zu äußerster Vorsicht auf. Reisen unter diesen Bedingungen seien "extrem gefährlich und zeitweise unmöglich", hieß es. Auch der Präsident schaltete sich ein: "Dies ist nicht wie ein Schneetag aus Kinderzeiten", warnte Joe Biden.

© SZ/dpa/Reuters/nadl - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusKlimawandel
:So viel Klimawandel steckt im Wetter

Bei Hitzerekorden können Wissenschaftler den Einfluss der Erderwärmung mittlerweile erstaunlich gut beziffern. Aber wie sieht es bei anderen Extremwetter-Ereignissen wie Wirbelstürmen oder Starkregen aus?

Von Benjamin von Brackel

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: