Stilkritik: Fliege:Schwarz auf Weiß

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Der Star auf dem Haupt: Während der TV-Debatte der Kandidaten für die Vizepräsidentschaft landete eine Fliege auf dem Kopf von Mike Pence. (Foto: ERIC BARADAT/AFP)

Wie begegnet man einer lästigen Fliege, wenn ein Millionenpublikum zuschaut? US-Vizepräsident Mike Pence, ahnungslos, redete beim TV-Duell einfach weiter. Doch es nützte ihm nichts.

Von Violetta Simon

Es sind die kleinen Dinge, die einen aus der Fassung bringen können. Das Haar in der Suppe. Der Krümel im Auge. Die Mücke, die zum Elefanten wird. Oder auch: die Fliege, die dort auftaucht, wo sie nicht sein sollte, was Fliegen übrigens grundsätzlich gerne machen. In der vergangenen Nacht haben der US-Vizepräsident Mike Pence und die Senatorin Kamala Harris im TV-Duell anlässlich der US-Wahl versucht, die Trümmer zusammenzusetzen, die ihre Vorgesetzten in der ersten Runde hinterlassen hatten. Doch worüber wird heute vor allem gesprochen? Eben: die Fliege. Sie hatte es gewagt, ganze zwei Minuten auf dem weißen Haupthaar von Pence zu verweilen.

Ob sie dort freiwillig so lange saß oder von Haarlack festgehalten wurde - man weiß es nicht. Dabei hatte Pence noch Glück. Die Fliege hätte auf seiner Nase landen und ihn Contenance-gefährdend aus dem Konzept bringen können. So aber machte er einfach weiter. Wie Menschen in solchen Situationen reagieren, lässt darauf schließen, wie jemand anderen Herausforderungen begegnet. Als Herzogin Kate etwa bei einem Australien-Besuch in ein Gespräch mit einem Mädchen vertieft war, landete eine Fliege mitten auf ihrer Nase. Sie beachtete sie nicht, lächelte die Situation vor den Kameras weg.

Unvergessen auch Barack Obamas Fliegenmord vor laufender Kamera. Während eines Interviews mit dem TV-Sender CNBC sprach er das Tier erst persönlich an, verwarnte es und erledigte die Sache mit einem gezielten Schlag -1:0 für den Präsidenten. Am Ende trug er den Leichnam in einem Taschentuch persönlich aus dem Raum. Bis heute erinnert sich das kollektive Gedächtnis an den zupackenden, coolen Präsidenten. Der Inhalt des Interviews? Hm. Die kleinen Dinge sind es oft, die bleiben.

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So war das auch bei Pence: Während der Vize die Politik seines Chefs verteidigte, stahl ihm eine Etage weiter oben eine Stubenfliege die Show. Nur wenige Stunden später hatte das Insekt einen eigenen Twitter-Acount mit zuletzt etwa 92.000 Followern, Tendenz steigend.

Unwahrscheinlich, dass Pence die Fliege weiter thematisieren wird, indem er etwa in die Offensive geht und künftig mit entsprechendem Schlips vors Publikum tritt. Denn der US-Politiker hat nun die gleiche Erfahrung gemacht wie Lady Hale. Die britische Richterin hatte vor einem Jahr sehr resolut Premier Boris Johnson mit seinem Antrag auf Zwangsurlaub des Parlaments auflaufen lassen. Doch danach sprachen alle nur über die riesige Spinne unterhalb ihrer Schulter - eine Brosche übrigens.

Etwas Aufsehenerregendes, das unbeweglich verharrt: eine clevere Alternative, um von sich abzulenken. Vor allem, wenn man nichts Aufregendes zu sagen hat.

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