Urteile:Das Bundesverfassungsgericht auf dem Weg ins vereinte Europa

Lesezeit: 1 min

Der Zweite Senat beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eröffnet am 16. Februar die mündliche Verhandlung zu den Anleihenkäufen der EZB. (Foto: Uli Deck)

Karlsruhe (dpa) - Das OMT-Urteil des Bundesverfassungsgerichts stellt die Weichen für das künftige Verhältnis zum Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH). Die wichtigsten Stationen bisher:

Direkt aus dem dpa-Newskanal

Karlsruhe (dpa) - Das OMT-Urteil des Bundesverfassungsgerichts stellt die Weichen für das künftige Verhältnis zum Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH). Die wichtigsten Stationen bisher:

Mai 1974: Die Verfassungsrichter behalten sich vor, die Anwendung von Gemeinschaftsrecht durch deutsche Gerichte zu überprüfen, solange es in Europa keinen Grundrechtekatalog gibt, der dem deutschen vergleichbar ist (sogenannte Solange-I-Entscheidung).

Oktober 1986: Inzwischen gibt es einen Konsens über europäische Grundrechte. Daher ändert Karlsruhe seine Linie: Die Richter wollen kein Gemeinschaftsrecht mehr überprüfen, solange der EuGH einen gleichwertigen Grundrechtsschutz gewährleistet (Solange II).

Oktober 1993: Im Maastricht-Urteil zum EU-Vertrag stellt das Gericht klar, dass die europäische Einigung dort ihre Grenzen hat, wo die Demokratie ausgehöhlt wird. Es dürfen also nicht so viele Befugnisse verlagert werden, dass der gewählte Bundestag entmachtet wird.

Juni 2000: Die Bananenmarkt-Entscheidung setzt Verfassungsbeschwerden gegen EU-Recht hohe Hürden. Sie sind nur dann zulässig, wenn die Kläger begründen können, dass der Schutz der Grundrechte generell unter den Standard des Grundgesetzes abgesunken ist.

Juni 2009: Mit Blick auf den Lissabon-Vertrag stellen die Richter klar, dass das Grundgesetz keinen europäischen Bundesstaat erlaubt. Sie behalten sich vor, Rechtsakte der EU darauf zu prüfen, ob sie über die durch die Verträge zugewiesenen Kompetenzen hinausgehen.

Juli 2010: Karlsruhe muss sich damit auseinanderzusetzen, ob der EuGH mit einem Urteil zum deutschen Arbeitsrecht seine Kompetenzen überschritten hat. Die Richter nehmen sich zurück: Sie wollen nur dann kontrollierend eingreifen, wenn ein Unionsakt offensichtlich kompetenzwidrig ist und das Machtgefüge in der EU verschiebt.

Dezember 2015: Die Verfassungsrichter verhindern, dass ein europäischer Haftbefehl vollstreckt wird. Begründung: Die Anwendung des Unionsrechts hat zwar Vorrang - aber wenn der Kern des Grundgesetzes (Verfassungsidentität) berührt ist, gibt es Grenzen.

21. Juni 2016: Erstmals entscheidet das Bundesverfassungsgericht ein Verfahren auf Grundlage eines EuGH-Urteils. Trotz eigener Bedenken billigen die Richter die Krisenpolitik der Europäischen Zentralbank unter Auflagen - die Luxemburger Rechtsprechung sei bindend.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: