Tierschutz:Schnipp, schnapp

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Norddeutschland diskutiert über eine Kastrationspflicht für Kater, weil sich streunende Katzen sprunghaft vermehren. Kontrollieren ließe sich so eine Vorschrift jedoch kaum - dazu bräuchte es eine Katzenpolizei.

Jens Schneider

Jetzt kommen wieder die Tage, an denen nichts mehr geht im Bremer Tierheim. Tag für Tag werden mehr Katzen gebracht, viele sind verwildert, abgemagert, oft sind sie krank. Im Frühsommer werden oft ganze Würfe abgegeben; vier, fünf oder sechs unterernährte Katzen, für die sich keiner zuständig fühlt. "Es sind so viele", sagt der Vorsitzende des Tierschutzvereins, Wolfgang Apel. "Wir können das nicht in den Griff kriegen."

Betäubt - und der Männlichkeit beraubt: Dieser Kater ist gerade kastriert worden. In Nordeutschland wird über eine Kastrationspflicht für Katzen nachgedacht. (Foto: dapd)

Früher pflegten sie im Schnitt 120 Katzen, derzeit sind es 378, bald dürften es 500 werden. Zugleich sind draußen in der Stadt einige tausend herrenlose Katzen unterwegs, auch sie meist unversorgt, sporadisch gefüttert von Bremern, die sich nicht als ihre Besitzer fühlen, aber ab und zu eine Dose für sie öffnen. Auch Tierschutzorganisationen "sittern draußen", so erzählt Apel. "Aber das reicht nicht."

Weil es einfach immer mehr werden. Das Tierheim sei zuweilen so voll, dass kein Platz bleibt für Katzen, die von zu Hause entlaufen sind. Und das ist kaum das schlimmste Problem. Die freilaufenden und oft erkrankten Tiere jagen junge Singvögel. Man sorgt sich, dass sie Krankheiten verbreiten, sie brauchen Pflege. "Sie werden", so sagt Tierschützer Apel, "zur Last für die Allgemeinheit."

Für die Stadt Bremen werden sie zudem zum Kostenfaktor. Das Ordnungsamt lässt streunende Katzen ins Tierheim bringen und unterstützt das überforderte Heim. Nun will der für die öffentliche Ordnung zuständige Innensenator Ulrich Mäurer eine Kastrationspflicht einführen. Nicht nur Katzenhalter, die ihre Tiere frei laufen lassen, sondern auch alle, die nur sporadisch füttern, sollen so verpflichtet werden, diese Katzen kastrieren zu lassen. Das Gesetz ist in der Beratung, offen ist offenbar noch, wie ärmere Bürger bei den Kosten für den Tierarzt zu unterstützen sind. Kastriert werden sollen alle Katzen, die älter als fünf Monate sind.

Zweimal im Jahr bis zu sechs Nachkommen

Dabei sind sich Verwaltung und Tierschützer einig, dass dringend etwas gegen die explosionsartige Vermehrung der Katzen getan werden muss - auch zum Wohle der Tiere, wie alle betonen. Das Leben im Freien sei für herrenlose Katzen absolut nicht romantisch.

Zahlreiche Verbände erhoffen sich nun vom Bremer Beispiel Auftrieb für ihre bundesweite Kampagne für die Kastrationspflicht. Bremens Katzen sind, was ihre Freude an der Vermehrung angeht, nicht einzigartig. "Es gibt das Problem überall", sagt Tierschützer Apel, gegenüber früheren Zeiten seien Katzenhalter nachlässiger geworden, "viele scheuen die Kosten für den Tierarzt". Gerade hat er in Berlin zusammen mit einem Tierschutzbündnis einen Aufruf gestartet.

In der Hauptstadt der frei lebenden Katzen streunen mehrere Zehntausend auf verwilderten Grundstücken, verlassenen Fabrikgeländen oder Friedhöfen herum, so wird geschätzt. Ihr Elend sei vielen Menschen nicht bewusst. Die Tiere würden mangels Futter und Pflege oft einen qualvollen Tod sterben, obwohl der Tierschutzverein jedes Jahr viel Geld für die Kastration und Betreuung frei lebender Katzen ausgebe. Ihre Zahl wächst schnell; zweimal im Jahr kann jede Katze bis zu sechs Nachkommen bekommen.

Der Tierschutzbund dringt auf eine bundesweite Verordnung. Im Bundestag fordern Tierschutzexperten wie die Grüne Undine Kurth, dass die Regierung das Thema aufnimmt, auch wenn die Gefahrenabwehr Sache der Kommunen ist. "Es könnte viel helfen", so Kurth, "wenn das Bundesministerium für Landwirtschaft eine Debatte über das Elend anstoßen würde." Bisher haben vor allem kleine Gemeinden und Städte wie Hildesheim, Delmenhorst oder Verden Verordnungen erlassen.

Als vorbildlich gilt der Kreis Paderborn. Als dort gut 40.000 herrenlose, oft verwilderte Katzen Probleme bereiteten, suchten Ärzte, Tierschützer und das Ordnungsamt eine Lösung. "Wichtig ist, dass alle Katzen, die raus können, kastriert werden müssen", sagt Amtsleiter Udo Olschewski.

Also erklärte man auch all jene zu Katzenhaltern, die freilaufende Katzen regelmäßig füttern. So gut gemeint das auch sei: Wer herrenlose unkastrierte Katzen füttere, unterstütze die unkontrollierte Vermehrung. Das sei verantwortungslos und "wenig tierschutzgerecht", heißt es.

500 Euro Strafe

Die Tiere müssen nun gekennzeichnet werden, durch Chips oder Tätowierungen. Zugleich mahnt der Kreis paradoxerweise jedoch, dass es gegen das Tierschutzgesetz verstößt und geahndet werden kann, wenn man mit dem Füttern einfach aufhört. Seit 2008 gilt diese Verordnung, der Amtsleiter berichtet von einem Anstieg der Kastrationen. Und es gebe, etwa mit Katzendreck auf Spielplätzen, weniger Probleme.

Wer der Pflicht nicht nachkommt, müsse mit einem Bußgeld rechnen. "Aber das kann kein Ordnungsamt kontrollieren", gibt Olschewski zu. In Bremen könnte der Verzicht auf die Kastration bald bis zu 500 Euro Strafe kosten, doch auch an der Weser will niemand eine Katzenpolizei einführen.

Den Menschen müsse das Problem irgendwie bewusst gemacht werden, sagt der Paderborner Amtsleiter. "Dann sprechen die Leute auch mal von sich aus Nachbarn an, die gutmütig Katzen füttern."

© SZ vom 23.03.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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