Terrorismus:Explosionen nach Fund von Sprengstoffwesten in Sri Lanka

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Polizisten patrouillieren in einer muslimischen Nachbarschaft von Colombo, bevor die Freitagsgebete abgehalten werden. (Foto: Manish Swarup/AP)

Colombo (dpa) - In einem Wohnhaus in Sri Lanka haben Polizei und Armee mehrere Sprengstoffwesten sowie Materialien zur Herstellung von Bomben gefunden. Nach der Razzia im Ort Sammanthurai im Osten des Inselstaates gab es dort zudem drei Explosionen und eine Schießerei, wie die Polizei mitteilte.

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Colombo (dpa) - In einem Wohnhaus in Sri Lanka haben Polizei und Armee mehrere Sprengstoffwesten sowie Materialien zur Herstellung von Bomben gefunden. Nach der Razzia im Ort Sammanthurai im Osten des Inselstaates gab es dort zudem drei Explosionen und eine Schießerei, wie die Polizei mitteilte.

Die Details waren zunächst unklar. Sieben junge Muslime seien festgenommen worden, hieß es von der Polizei. Fernsehbilder zeigten eine Flagge der Terrormiliz Islamischer Staat, die auch in dem Haus gefunden worden sein soll. Dies bestätigte die Polizei zunächst nicht. Der Ort befindet sich nicht weit von der Stadt Batticaloa, wo am Ostersonntag eine Kirche angegriffen worden war.

Die Polizei berichtete am Freitag über neuerliche Anschlagspläne von Islamisten in dem Inselstaat. Weil auch das Auswärtige Amt vor Trips nach Sri Lanka warnt, organisiert der Reiseveranstalter Tui Deutschland nun die Rückreisen all seiner Kunden aus dem Land. Auch andere deutsche Reiseveranstalter boten kostenlose Stornierungen gebuchter Reisen an.

Der „Lonely Planet“ hatte Sri Lanka zuletzt noch zum Top-Reiseziel dieses Jahres erklärt. „Es besteht grundsätzlich die Gefahr von weiteren Anschlägen“, hieß es vom Auswärtigen Amt. Von nicht notwendigen Reisen in die Hauptstadt Colombo werde abgeraten. In einer Moschee in Colombo wurden am Freitag mehr als 40 Schwerter und Messer sowie Armee-ähnliche Uniformen entdeckt.

Sri Lankas Polizei teilte mit, dass Islamisten Geheimdienstinformationen zufolge Moscheen der Sufisten - einer Strömung im Islam mit mystischen Traditionen - angreifen wollten. Radikale Islamisten betrachten Sufisten-Anhänger wegen deren Toleranz anderen Religionen gegenüber als Feinde. Die Sicherheitsvorkehrungen an Sufisten-Moscheen wurden laut Polizei erhöht. Nur in wenigen islamischen Gotteshäusern fanden allerdings Freitagsgebete statt.

Die US-Botschaft in Colombo hatte bereits vor Anschlagsplänen gewarnt und gemahnt, Gotteshäuser von Freitag bis Sonntag zu meiden. Auch Touristenziele, Flughäfen, Hotels, Krankenhäuser, Restaurants, Märkte und andere öffentliche Orte könnten Ziele sein, hieß es.

Obwohl sich Dutzende Verdächtige in Gewahrsam befanden, waren einige noch auf freiem Fuß. Die Polizei bat die Bevölkerung um Hinweise auf sechs Gesuchte - vier Männer und zwei Frauen.

Neun einheimische Selbstmordattentäter, darunter eine Frau, hatten am Ostersonntag Anschläge unter anderem auf drei christliche Kirchen und drei Luxushotels verübt. Zuletzt war von 359 Todesopfern die Rede gewesen. Das Gesundheitsministerium korrigierte die Zahl am späten Donnerstagabend aber auf 253 nach unten. Die Zahl der Verletzten wurde nun mit 149 statt wie bisher 485 angegeben.

Die Erklärung für die deutliche Korrektur klingt schaurig: Durch die Wucht der Explosionen habe es zu viele Körperteile gegeben, um die Toten genau zählen zu können. Offen blieb die Frage, warum unter diesen Umständen immer wieder neue, genaue Zahlen herausgegeben worden waren. Auch, ob sich an der zuletzt auf 40 gestiegenen Zahl der ausländischen Todesopfer etwas änderte, war zunächst unklar.

Die Behörden des Inselstaates hatten schon zuvor keine gute Figur abgegeben. Indische Geheimdienste hatten bereits mehr als zwei Wochen vor Ostern Hinweise auf Anschlagspläne gegeben, und zwar äußerst konkrete: Sie erhielten die Namen und bekannten Aufenthaltsorte der Anschlagsplaner sowie die Ziele und das Datum der geplanten Angriffe.

Warum die Hinweise unbeachtet blieben, ist die große Frage. Manche Experten urteilen, die Sicherheitskräfte hätten einen so großen Anschlag schlicht nicht für möglich gehalten - zumal es zuvor keine nennenswerte Gewalt gegen die in Sri Lanka relativ kleine Minderheit der Christen gegeben hatte.

„Ich denke, ein Teil der Erklärung ist, dass die Führung des Landes derzeit in Aufruhr ist“, twitterte Amarnath Amarasingam, ein kanadischer Extremismusforscher sri-lankischer Herkunft. „Im Grunde hassen der Premierminister und der Präsident einander.“

Staatspräsident Maithripala Sirisena hatte Premierminister Ranil Wickremesinghe Ende vergangenen Jahres überraschend entlassen. Wickremesinghe erkannte das nicht an. Nachdem das Land sieben Wochen lang keine allgemein anerkannte Regierung hatte, gewann der Premier den Machtkampf am Obersten Gerichtshof und blieb im Amt.

Regierungsangehörige von Wickremesinghes Partei beklagten nach den Anschlägen, seit längerem von den Sicherheitsbehörden, die Präsident Sirisena unterstehen, über Fragen der nationalen Sicherheit im Dunkeln gelassen zu werden. Sirisena fungiert auch als Verteidigungsminister.

Sirisena entließ nun den Polizeichef des Landes und einen ranghohen Beamten im Verteidigungsministerium. Er machte sie dafür verantwortlich, dass er selbst erst eine Stunde nach den ersten Explosionen in sozialen Medien von den Hinweisen erfahren habe. Die beiden Männer hätten nur „Papiere hin und her geschoben“, sagte Sirisena am Freitag bei einem Treffen mit Medienvertretern.

Er teilte auch mit, es gebe in Sri Lanka 130 bis 140 Menschen mit Verbindungen zur Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Der IS hatte die Anschläge für sich reklamiert. Premier Wickremesinghe sagte dem Sender Sky News, diese hätten nicht festgenommen werden können, da es nicht gegen das sri-lankische Gesetz verstoße, sich einer terroristischen Vereinigung anzuschließen.

Sirisena stellte in Aussicht, wegen der Verbreitung falscher Informationen soziale Medien komplett zu verbieten. Bislang war der Zugang zu einigen sozialen Medien nach den Anschlägen gesperrt worden.

Vize-Verteidigungsminister Ruwan Wijewardene hatte erklärt, manche der Attentäter hätten im Ausland studiert - einer von ihnen in Großbritannien und Australien. Die Zeitung „The Australian“ berichtete nun, Australiens Anti-Terror-Ermittler hätten den Mann 2014 wegen Kontakten zu Terrorverdächtigen im Visier gehabt. Er sei dann aber nach Sri Lanka zurückgekehrt. Später sei er in Syrien gewesen und habe sich dem IS angeschlossen.

Die Polizei erklärte, Verhöre von Verdächtigen hätten ergeben, dass die Attentäter im Ausland Waffentraining erhalten hätten. Unter den Festgenommenen sei auch der Bombenbauer. Es handle sich um den Geschäftsführer einer Kupferfabrik. Eigentümer der Fabrik war einer von zwei Söhnen eines reichen Gewürzhändlers; beide hätten sich an Ostern in Hotels in die Luft gesprengt. Für die Bomben seien Patronenhülsen benutzt worden, die das Militär als Kupferschrott verkauft habe.

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