Der Fußballstandort Stuttgart hatte viele Jahre ein gewisses Imageproblem. Der VfB, das Aushängeschild der Stadt, litt unter konstanter Erfolgslosigkeit, mal ging es rauf, mal runter, nur selten an die Spitze. Immer wieder war das Geld so knapp, dass dies unmöglich das seriöse Werk einer schwäbischen Hausfrau sein konnte. Das historische Bild geprägt hat darüber hinaus der frühere VfB-Spieler Thomas Strunz, der bei seinem Abschied jene Art von Gemeinheit hinterließ, die nachwirkt: Das Schönste an Stuttgart, so Strunz, sei "die Autobahn nach München".
Doch im Frühjahr 2024 ist alles anders. Der VfB spielt gleichermaßen erfolgreichen wie ästhetisch ansprechenden Fußball, Platz drei in der Bundesliga, die Champions League fest im Blick. Die Stadt pulsiert vor Euphorie - vielleicht genau zum richtigen Zeitpunkt. Im Juni beginnt die Europameisterschaft. Offiziell wird ermittelt, welche Mannschaft die beste ist. Deutschlandintern läuft aber ein zweiter Wettbewerb: Welche Stadt präsentiert sich als bester Gastgeber?
In dieser Frage tat sich vor Kurzem Stuttgarts Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) mit einer Wortmeldung hervor, die sich durchaus als Kampfansage interpretieren ließ: "Stuttgart ist viel schöner als Berlin." Ein Satz wie eine Grätsche, der allerdings im historischen Kontext betrachtet werden muss.
Bei der Weltmeisterschaft 2006 schied Deutschland im Halbfinale aus. Im Finale in Berlin spielten Italien und Frankreich. Das Spiel um Platz drei, eher der Trostpreis unter den WM-Partien, ging nach Stuttgart, Deutschland gegen Portugal, Ergebnis: 3:1. "Stuttgart ist viel schöner als Berlin", sangen die Fans, und es stimmte schon auch: Dass viele Deutsche die WM als "Sommermärchen" in Erinnerung haben, daran hat auch der Spielort Stuttgart einen kleinen, aber nicht unwesentlichen Anteil.
An den jüngsten Siegen haben auch VfB-Spieler Anteil
Die Frage ist, ob das wieder klappen kann. Lange schien die EM 2024 ein Euphorieproblem zu haben. Die Nationalmannschaft spielte schlecht, die Leute hatten andere Sorgen. Dann aber: zwei Siege gegen Frankreich und die Niederlande. Und so mancher VfB-Fan verweist nicht ohne Stolz auf den eigenen Beitrag am Umschwung. Immerhin gehörten vier Spieler im Kader zum VfB, so viele wie lange nicht.
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Der Trainerposten in München ist zurzeit offenbar nicht so attraktiv, wie er es nach Ansicht der Bayern sein sollte. Das könnte daran liegen, dass die Münchner aus ihren Trainern zuletzt das Schlechteste herausgeholt haben.
Erstaunlicherweise scheint sich der Stuttgarter Erfolgslauf nicht nur auf das Spielfeld zu beschränken. Selbst der Umbau der Stadiontribüne ist rechtzeitig vollendet worden für die fünf EM-Spiele. Gut, es wurde später als geplant und mit knapp 140 Millionen Euro auch teurer. Aber in einer Stadt, die seit Jahren an einer Bahnhofsbaustelle leidet, gilt es als wohltuende Abwechslung, wenn ein Großprojekt einfach mal fertig wird.
Reicht das nun, um Berlin zu übertrumpfen? Stimmungstechnisch für Stuttgart spricht die erwartete Anwesenheit von 100 000 Schotten, deren Mannschaft hier ein Vorrundenspiel absolviert, und die laut Berichten die Biervorräte der Stadt einer intensiven Prüfung unterziehen wollen. Andererseits: In Berlin findet nun mal das Finale statt. Und da fänden es wohl auch die Stuttgarter schön, wenn Deutschland diesmal dabei wäre.