Nacktkalender 2023:"Lass uns keine Komplexe haben"

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Der hundertjährige Pedro Sánchez in seinem Haus vorm Kamin. Allerdings nicht ganz nackt, sondern nur mit nacktem Oberkörper. Im Seniorenalter müsse man es nicht übertreiben, meinte er. (Foto: Juanjoydavid/Instagram: @juanjoydavid_photo)

Wie die spanischen Fotografen Juanjo und David einen Hundertjährigen dazu brachten, bei ihrem Nacktkalender mitzumachen.

Von Martin Zips

Es gibt ja wirklich kaum einen Verein, der noch keinen Nacktkalender von seinen Mitgliedern im Angebot hat. Was die Verkaufsstrategie angeht, bieten Exhibitionismus und Voyeurismus hier eine interessante Schnittstelle. Mit dem Erlös wird dann entweder das nächste Vereinsfest finanziert oder zum Beispiel die Wiederansiedlung des Schwanzlurchs, da gibt es viele Möglichkeiten. Und so ist es auch kein Wunder, dass von süddeutschen Jungbauern über norddeutsche Tiermedizinstudenten bis zu den Bewohnern des Ortsteils Mönchengladbach-Schelsen für das bestimmt freudige Jahr 2023 wieder sehr viel Hüllenloses angeboten wird.

Einen Nacktkalender gibt es jetzt auch mit den Bewohnern des spanischen Weilers Peña de Zafra de Abajo, was insofern interessant ist, da dieser Weiler westlich von Alicante nur 16 Einwohner hat. An Wochenenden und im Sommer steigt die Zahl manchmal auf 25, aber das war es dann auch. Es handelt sich hier um eine recht menschenleere, man könnte sagen gottverlassene Gegend.

Um gleich zwölf Monate auf Papier zu bringen, musste sich fast jeder, der hier haust, ausziehen. Die Bereitschaft war hoch. Sogar der hundertjährige Pedro Sánchez ließ sich von zwei Fotografen in seinem Haus mit einem Lederfläschchen vor dem Kamin ablichten. Allerdings nur mit nacktem Oberkörper. Im Seniorenalter müsse man es nicht übertreiben, meinte er.

Zu verdanken ist das Projekt den auf Nudistenbilder spezialisierten Fotografen Juanjo Ramírez López und David Cantó Navarrete, die sich unter dem Namen Juanjoydavid zusammengetan haben, was entweder als "Juanjo y David" gelesen werden kann oder als "Juan Joy David", was deutlich besser klingt. Die Männer, beide Anfang 30 und seit zehn Jahren nicht nur beruflich ein Paar, fotografieren sich auch gerne selbst ohne irgendwas, was man auf der Webseite ihres Fotostudios sehen kann.

Für eine Ausstellung hatten Juanjo und David zuvor etwa 100 Personen aus ihrer Heimatregion Murcia abgelichtet, nackt natürlich, sonst wären ja keine 1500 Besucher gekommen und hätten für die Schau drei Euro Eintritt bezahlt. Die Idee dazu sei während der Pandemie entstanden, erzählen sie, in einem Landhaus bei Abanilla, in dem sie aus Angst vor dem Virus Zuflucht gesucht hätten. Offenbar hatte sich in der Zeit auch bei den anderen Bewohnern in der Gegend viel angestaut, jedenfalls ließen bald sehr viele ihre Hüllen fallen, um sich vor den Linsen Juanjos und Davids zum Beispiel auf ihrem Traktor zu räkeln. Auch eine Brustamputierte habe mitgemacht, ein Automechaniker und viele, viele mehr, berichten die beiden. Der Erlös sei dann an ein Krebsprojekt und an einen Tierschutzverein gegangen.

Dort kamen auch zwei Bewohner des Weilers mit Juanjo und David in Kontakt und luden sie in ihre Siedlung am Rande des Regionalparks Sierra de la Pila ein, weil es dort einerseits schöne Häuser und Marmorsteinbrüche gibt, es andererseits jedoch in den vergangenen Jahren zu einer gewissen Landflucht gekommen sei, was sich negativ auf die Dorfkasse auswirkte.

Juanjo und David setzten also die Pädagogin Leyla auf dem Lehrerpult eines alten Schulgebäudes ins Bild, die Winzerin Lucía Nicolás Perea auf einem Eichenfass, den Bauern Juanjo mit seinen schönsten Kürbissen und eben den hundertjährigen Pedro Sánchez, der gleich Feuer und Flamme war. Zumindest, wenn man ihm seine Hose ließ.

Nun ist die Dorfkasse wieder gefüllt. Mehr als 500 Kalender wurden bereits veräußert, für neun Euro das Stück. Da das fotografische Meisterwerk nicht nur im örtlichen Supermarkt und einigen Restaurants, sondern ebenso übers Internet erworben werden kann, landeten laut den Fotografen bereits erste Exemplare in Frankreich, England, Kalifornien, Malta und Australien. Jetzt hoffe man auf den deutschen Markt.

Im kommenden Jahr würden sicher auch diejenigen Weiler-Bewohner mitmachen, die zuletzt angezogen geblieben sind, versichern Juanjo und David und erklären zum Abschluss: "Lass uns keine Komplexe haben, alle Körper sind schön!" Wirklich?

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