Rede vor dem US-Kongress:Franziskus' gut verpackte Kritik

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Papst Franziskus vor dem US-Kongress (Foto: AFP)
  • Bei seiner Rede vor dem US-Kongress hat Papst Franziskus auch kontroverse Themen angesprochen.
  • Er forderte die Abschaffung der Todesstrafe, rief die USA zum Umweltschutz auf und ging auf die Flüchtlingskrise ein - versuchte dabei aber nicht belehrend zu klingen.

Von Nicolas Richter, Washington

Der Papst hat den Vereinigten Staaten am Donnerstag milde ins Gewissen geredet: In einer hoch politischen Rede sprach Franziskus alle Themen an, die in den USA umstritten sind, wählte aber einen ermutigenden, konstruktiven Ton. Das Oberhaupt der katholischen Kirche verlangte Umweltschutz, Mitgefühl für Einwanderer, ein Ende der Todesstrafe sowie den Erhalt der traditionellen Familie. In Washington sorgen alle diese Themen für Kontroversen, der Papst aber bemühte sich, das Gemeinsame und Positive zu betonen, indem er immer wieder den amerikanischen Optimismus und Erfindungsreichtum lobte und das Eintreten der USA für die Freiheit.

Deutlich wurde dies zum Beispiel beim Thema Umweltschutz. Der Papst erneuerte den Appell aus seiner neuen Enzyklika, gegen die "durch menschliches Handeln verursachte Umweltschädigung" vorzugehen. Aber Franziskus, der als erster Papst überhaupt vor beiden Kammern des Kongresses sprach, wollte vor dem mehrheitlich konservativen Parlament nicht belehrend klingen. "Ich bin überzeugt, dass wir etwas verändern können, dass die USA - und dieser Kongress - dabei eine wichtige Rolle zu spielen haben", sagte er. "Ich bin zuversichtlich, dass Amerikas hervorragende Wissenschafts- und Forschungsinstitute einen entscheidenden Beitrag (zum Umweltschutz) liefern können."

Solidarität und Toleranz von jenen, denen es gut geht

Franziskus griff auch das zweite große Thema seiner fast einwöchigen USA-Reise auf, die Sorge um Einwanderer und Flüchtlinge. Er sprach von einer "Flüchtlingskrise, die ein seit dem Zweiten Weltkrieg unerreichtes Ausmaß angenommen hat" und verlangte Solidarität und Toleranz von jenen, denen es gut geht. "Wir dürfen nicht über die Anzahl (der Flüchtlinge) aus der Fassung geraten, sondern müssen sie vielmehr als Personen sehen, ihnen ins Gesicht schauen und versuchen, so gut wir können, auf ihre Situation zu reagieren - immer menschlich, gerecht und brüderlich. Wir müssen eine heute allgemeine Versuchung vermeiden: alles, was stört, auszuschließen."

Franziskus, selber als Sohn einer Einwandererfamilie in Argentinien aufgewachsen, erinnerte an eine große Gemeinsamkeit von Nord- und Südamerika: "Wir, die Menschen dieses Kontinents, haben keine Angst vor Fremden, denn die meisten von uns sind einst selber Fremde gewesen." Bei diesem Satz klatschten die Abgeordneten und Senatoren im Stehen.

Da der Papst gerade von der Verantwortung sprach, "menschliches Leben in jedem Stadium seiner Entwicklung zu schützen", plädierte er auch gegen die Todesstrafe, die in den USA noch immer in etlichen Bundesstaaten verhängt und vollstreckt wird. "Jedes Leben ist unantastbar", mahnte der Papst und erinnerte daran, dass die US-Bischöfe unlängst ihren Aufruf zur Abschaffung der Todesstrafe erneuert hätten. "Ich ermutige alle, die davon überzeugt sind, dass eine Strafe nie die Dimension der Hoffnung und das Ziel der Rehabilitierung ausschließen darf", sagte der Papst.

Er verteidigte auch die jüngste Annäherung der US-Regierung an Kuba, die er vermittelt hatte. "Es ist meine Pflicht, Brücken zu bauen", sagte er. Mehrere Republikaner hatten den Papst bereits im Vorfeld wegen seiner Haltung zu Klimaschutz, Einwanderung und Kuba-Politik kritisiert. Der Gastgeber im Kongress, der republikanische Speaker John Boehner, selber ein Katholik, hatte den Papst eingeladen und vor dessen Besuch seine Parteifreunde ermahnt, nicht Anstoß zu nehmen: Der Pontifex stehe über den Dingen, auch wenn man nicht seiner Meinung sei.

Genugtuung für die Konservativen

Franziskus in den USA
:Papst und Potus auf dem Rollfeld

Es ist sein erster Besuch als Oberhaupt der katholischen Kirche in den USA: Papst Franziskus ist am Mittwoch in der Nähe von Washington gelandet. Ihn erwartet ein straffes Programm.

Franziskus, der zum ersten Mal die USA bereist, fand viele warme Worte für seine Gastgeber. "Die Herausforderungen, denen wir heute begegnen, erfordern eine Erneuerung jenes Geistes der Zusammenarbeit, der in der Geschichte der USA so viel Gutes vollbracht hat", sagte der Papst, und, nachdem er den Bürgerrechtler Martin Luther King erwähnt hatte: "Ich freue mich, dass Amerika weiterhin für viele ein Land der Träume ist. Träume, die zum Handeln führen, zum Engagement."

Zur Genugtuung der Konservativen im Kongress sprach sich der Papst auch für den Schutz der traditionellen Ehe zwischen Mann und Frau aus, mithin gegen die Homo-Ehe, die nach jüngster Rechtsprechung des Supreme Court nun im ganzen Land legal ist. "Grundlegende Beziehungen wie die eigentliche Basis von Ehe und Familie werden in Frage gestellt", beklagte Franziskus. Von den Republikanern erhielt er donnernden Applaus.

© SZ vom 25.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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