70. Thronjubiläum:Die größte Tea Party der Welt

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Vier Generationen Monarchie: Queen Elizabeth und ihre drei Nachfolger Charles, William (hinten rechts) und George auf dem Balkon von Buckingham Palace. (Foto: Chris Jackson/Getty Images)

Nach den Feierlichkeiten rund um das Platin-Jubiläum der Queen lässt sich feststellen: Das Volk und seine Monarchin waren sich lange nicht mehr so nahe. Ein Rückblick auf vier strahlende Tage, an denen sich sogar der Regen ans Protokoll hielt.

Von Michael Neudecker, London

Der letzte Auftritt der Queen am Ende einer vier Tage währenden Feier dauerte keine drei Minuten. Sie trug ein grünes Kostüm, als sie auf den Balkon des Buckingham Palastes trat, fest umklammert hielt sie den Gehstock ihres verstorbenen Mannes Philip. Sie winkte ein wenig, die Menge jubelte so euphorisiert wie die ganzen vier Tage schon, neben ihr standen die nächsten drei britischen Könige Charles, William und George. Als dann die Hymne gesungen wurde, stand sie still da, blickte in die singende Menschenmasse, und es sah aus, als könnte man Rührung in ihren Augen erkennen. Der Balkon des Palastes ist, wenn man davor steht, weiter weg, als es im Fernsehen wirkt, aber das Volk und seine Monarchin waren sich wahrscheinlich lange nicht mehr so nahe wie an diesem Sonntag.

Mit einem bunten Umzug auf der Mall, der Allee zum Palast, endeten die Feierlichkeiten. Zudem fanden überall im Land Straßenfeste statt, Union Jacks wurden zwischen den Häusern aufgehängt, und weil die Briten ja Regen nicht nur dem Klischee nach gewöhnt sind, wurden in vielen Straßen am Sonntagmorgen noch Pavillons und Zelte aufgebaut. Der Regen setzte erst am Abend ein in London, weshalb die Nation stundenlang tun konnte, was sie, wie etwa der Daily Express formulierte, " am besten kann": Tee trinken und Kuchen essen. "Wenn es darum geht, 70 Jahre als Ihre Königin zu feiern, gibt es keine Anleitung, es ist wirklich ein erstes Mal", das ließ die Königin in einem Statement am Sonntag mitteilen. Sie sei "zutiefst berührt", dass so viele Menschen zusammenkamen, um ihr Platinum Jubilee zu feiern.

Der Abschluss-Umzug auf der Prachtstraße "The Mall" war ein bisschen wie Karneval, mit allerlei bunten Gefährten und Kostümen. Und auch die Corgis, Lieblingshunderasse der Queen, durften da nicht fehlen. (Foto: Dan Kitwood/Getty Images)

Tatsächlich nahmen die Briten die Gelegenheit gerne an, vier Tage lang anzustoßen auf das Wohl ihrer Queen. Die Diskussion über die Zukunft der Monarchie dürfte das zwar kaum ändern, allein durch die schiere Dauer ihrer Regentschaft aber genießt Elizabeth II. eine Sonderrolle, auch das war in diesen vier Tagen zu spüren. Es gibt in der Geschichte der Monarchien überhaupt nur zwei, die länger auf einem Thron saßen als sie: Der thailändische König Bhumibol regierte, Stand Juni 2022, nur ein paar Monate länger als die Queen. Ludwig XIV., der Sonnenkönig Frankreichs, saß bis zu seinem Tod 1715 ganze 72 Jahre auf dem Thron.

Dass sie am Sonntag noch einmal auf dem Balkon auftrat, werteten die britischen Medien als Überraschung. Die Queen hat Schwierigkeiten mit dem Gehen, nicht unüblich für eine 96-Jährige, aber ausreichend, um öffentliche Auftritte zu einer Seltenheit werden zu lassen.

Abwesend und doch allgegenwärtig: die Queen als lebensgroße Pappfigur beim Pferderennen von Epsom. (Foto: Andrew Matthews/dpa)

Auch am Samstag blieb sie zu Hause in Windsor, als in Epsom ihr Lieblings-Pferderennen stattfand - es war erst das dritte Mal in 70 Jahren, dass sie das Rennen nicht persönlich besuchte. 1956 war sie auf Staatsreise in Schweden, 1984 besuchte sie eine D-Day-Gedenkveranstaltung in Frankreich. 2022 also saß sie, wie es hieß, in ihren "gemütlichen Kleidern" auf der Couch in Windsor und verfolgte das Rennen im Fernsehen, wie auch die schrille und glamouröse BBC-Party am Abend am Palast. Zu Beginn des Konzerts tauchte die Queen immerhin auf Großleinwand auf - in einem Videoclip, in dem sie mit dem Bär Paddington Tee trinkt, ein Marmeladenbrot aus ihrer Handtasche zieht und mit ihrem Löffel den Rhythmus von "We Will Rock you" gegen königliches Porzellan schlägt.

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Vertreten wurde die Queen in Epsom von ihrer Tochter Anne, während Thronfolger Charles sie am Abend vertrat, zusammen mit seinem Sohn William und dessen Familie. Charles begann seine Rede am Samstagabend auf der Bühne am Palast wie schon zum Diamant-Jubiläum vor zehn Jahren mit "Your Majesty, Mummy". Überhaupt wurden Charles' Auftritte von der royalen Presse gemeinhin gelobt, was aber nicht heißt, dass Mummy das Amt schon bald an den Sohn übergibt. Dass der Job einer fürs Leben sei, das hat die Queen auch zuletzt noch einmal betont. Wenn es nach den Briten geht, die in diesen vier Tagen auf der Mall und anderswo zusammenkamen und feierten, kann das ruhig noch länger dauern.

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