Mainz:Fragen zum Umgang mit der Macht: Prozess gegen Marcus Held

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Der SPD-Bundestagsabgeordnete und frühere Bürgermeister von Oppenheim, Marcus Held, gestikuliert. (Foto: Andreas Arnold/dpa/Archivbild)

Ein Bundestagsabgeordneter muss sich vor Gericht verantworten: Die Mainzer Staatsanwaltschaft wirft Marcus Held (SPD) Untreue, Betrug, Bestechlichkeit sowie...

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Mainz (dpa/lrs) - Ein Bundestagsabgeordneter muss sich vor Gericht verantworten: Die Mainzer Staatsanwaltschaft wirft Marcus Held (SPD) Untreue, Betrug, Bestechlichkeit sowie mehrfache Verstöße gegen das Parteiengesetz vor. Nach zweimaliger Verschiebung wegen der Corona-Situation soll nun am Dienstag (10.00 Uhr) vor dem Landgericht Mainz die Anklage verlesen werden.

Die Affäre um den ehemaligen Bürgermeister der südlich von Mainz gelegenen Kleinstadt Oppenheim trug lange die Züge einer Lokalposse - so wurden ihm in der Bürgerschaft etwa die private Nutzung eines Dienstwagens, die Aufwandsentschädigung als Schwimmbadbeauftragter oder kostspielige Weinpräsente vorgehalten. Der Kern der Anklage aber reicht tiefer, berührt grundsätzliche Fragen zum Umgang mit politischer Macht und das Vertrauen in demokratische Prozesse.

Den Anstoß zu Ermittlungen gab 2017 ein anonym verschicktes Dossier mit Dokumenten zur Erschließung eines Baugebiets. Daraufhin befand die Staatsanwaltschaft, es gebe „zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für ein strafbares Verhalten“. Der erstmals 2004 gewählte Bürgermeister wies die Vorwürfe zurück. Aber der Druck ließ nicht nach. Im November 2017 wurden Räume des Oppenheimer Rathauses und eines Steuerberatungsbüros durchsucht. Im Januar 2018 versammelten sich jeden Montagabend bis zu 300 Demonstranten vor dem Rathaus und forderten den Rücktritt Helds.

Dazu entschloss sich der Politiker dann am 28. Februar 2018. Als Grund nannte sein Anwalt den zunehmenden öffentlichen Druck und Rücktrittsforderungen in der SPD. Mit der Niederlegung seiner Ämter wolle Held die Lage in der Stadt befrieden und eine „sachliche Aufklärung der Vorwürfe ermöglichen“. Held lege Wert auf die Feststellung, dass hiermit kein Schuldeingeständnis verbunden sei.

Held wurde 2013 und 2017 über die Landesliste in den Bundestag gewählt. Sein Mandat ließ der gebürtige Ludwigshafener nach dem Rücktritt in Oppenheim zunächst ruhen, nahm aber seit Ende 2019 wieder an Sitzungen teil. Die SPD in Rheinland-Pfalz forderte Held vergeblich auf, sein Mandat niederzulegen. Kürzlich bestimmte die Partei einen neuen Direktkandidaten für die Bundestagswahl im September.

Der Bundestag machte Ende Juni 2019 den Weg für ein Strafverfahren frei. Im folgenden Monat wurde nach mehr als zweijährigen Ermittlungen dann Anklage erhoben. Der ursprünglich für den 1. Dezember 2020 vorgesehene Prozessbeginn wurde aber mit Rücksicht auf das besondere Gesundheitsrisiko der beiden Mitangeklagten zweimal verschoben - die beiden Immobilienmakler sind 81 und 83 Jahre alt.

Im Mittelpunkt des Prozesses steht der Verdacht, dass die beiden Makler im Jahr 2013 mit Held verabredet haben sollen, der Stadt Grundstücke zum Kauf anzubieten und hierfür eine Maklercourtage zu erhalten. Der Bürgermeister soll daraufhin ohne einen Beschluss des Stadtrats die Auszahlung von Maklercourtagen in zehn Fällen veranlasst haben, insgesamt rund 200 000 Euro. Die beiden Mitangeklagten sollen dann in Absprache mit Held zehn Prozent der von der Stadt gezahlten Maklercourtagen an den SPD-Ortsverein gezahlt haben - zur Finanzierung von Helds Bundestagswahlkampf. Von Juli 2013 bis März 2015 soll der SPD-Ortsverein so sechs Zahlungen über insgesamt 24 600 Euro erhalten haben.

Dem 43 Jahre alten Angeklagten werden deswegen neben Untreue, Betrug und Bestechlichkeit auch mehrfache Verstöße gegen die Bestimmungen des Parteiengesetzes zur Annahme von Spenden vorgeworfen. Held wäre nach Angaben der Ermittler verpflichtet gewesen, die von den beiden Immobilienmaklern gezahlten Spenden nicht anzunehmen oder an den Präsidenten des Bundestags weiterzuleiten. Stattdessen soll er die Rechenschaftsberichte des SPD-Ortsvereins in den Jahren 2014 bis 2016 unterzeichnet und damit die korrekte Erfassung sämtlicher Einnahmen bestätigt haben.

Held wird in der Anklage außerdem zur Last gelegt, als Bürgermeister im März 2016 ein Grundstück verkauft zu haben, ohne den zuvor vom Stadtrat festgelegten Mindestpreis zu beachten. Dadurch soll der Stadt ein Schaden von 15 000 Euro entstanden sein.

Den beiden weiteren Angeklagten wird Betrug und Bestechung vorgeworfen. Die Strafkammer unter dem Vorsitz von Richter Wolfgang Eckert hat nach dem Prozessauftakt noch 16 weitere Verhandlungstermine bis zum 19. August angesetzt.

© dpa-infocom, dpa:210502-99-436546/2

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